Kommentar: Deutschland hält auch eine Erdogan-Rede aus

24.2.2017, 10:54 Uhr
Der türkische Präsident Erdogan will im Rahmen seines Wahlkampfs auch Deutschland besuchen.

© AFP Der türkische Präsident Erdogan will im Rahmen seines Wahlkampfs auch Deutschland besuchen.

Vorstellen kann man es sich ja einmal: Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel kündigt für den kommenden Sommer eine Reise an die türkische Ägäis an, um bei dort urlaubenden oder dauerhaft lebenden Deutschen um Stimmen für die Bundestagswahl zu werben. Der Aufschrei der türkischen Regierung wäre erwartbar groß, die Tonlage vorhersehbar: Missbrauch des türkischen Gastrechts, Verlagerung der deutschen Konflikte in ein anderes Land und überhaupt - da ist noch das Flüchtlingsabkommen mit der Europäischen Union, das unter diesen Umständen neu zu bewerten wäre.

Und nun kommt der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan - vielleicht - nach Nordrhein-Westfalen, um dort für sein grenzwertig-autoritäres Präsidialsystem zu werben, das er per Volksabstimmung durchsetzen will. Da zählen auch die Stimmen der Emigranten, und zwar ganz besonders: Sie sind im Durchschnitt konservativer als ihre Landsleute rund um den Bosporus.

Was tun? Energisch protestieren, mit wirtschaftlichen Sanktionen drohen? Nein, Deutschland ist ein anderes Land als die Türkei.

Da darf auch ein Erdogan reden, auch wenn einem das nicht passt. Einen wie ihn muss man zähneknirschend ertragen. Vielleicht hilft dabei der Gedanke, dass das auch Ausdruck eines freiheitlichen Staates ist, der glücklicherweise völlig anders ist als jene Verfassung, die Erdogan will.

Was aber nicht hinnehmbar ist, eben weil Deutschland völlig anders strukturiert ist: Die Bespitzelung von hier lebenden, oppositionellen Türken durch von der Religionsbehörde entsandte Imane. Oder gar die Indoktrination von Schülern im Islam-Unterricht. Für so etwas  gibt es in Nordrhein-Westfalen deutliche Hinweise, und hier müssen und können die Landesbehörden einschreiten; die Rechtsgrundlagen gibt es. Langfristig gesehen sind solche Grenzen auch viel wichtiger als die Aufregung um eine Erdogan-Rede.

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