Kommentar: Die Bayern sind cooler als die CSU

10.1.2019, 13:14 Uhr
68 Prozent der bayerischen Wähler sind mit Horst Seehofer weniger bis gar nicht zufrieden.

© Michael Kappeler/dpa 68 Prozent der bayerischen Wähler sind mit Horst Seehofer weniger bis gar nicht zufrieden.

Was war die Aufregung nach den Prügelattacken von Amberg groß - vor allem im Spektrum rechts der konservativen Mitte tönte es: "Sofort abschieben! Aufenthaltsgesetz verschärfen!" Die Redaktion erreichte Zuschriften, in denen gefordert wurde, "solche" müssten für immer weggesperrt werden.

Mittlerweile hat sich zweierlei gezeigt: Erstens, wie gravierend die Übergriffe durch vier wohl angetrunkene Asylbewerber im Alter von 17 bis 19 Jahren tatsächlich waren, ist nicht so klar, wie es direkt danach von Politikern, Medien und Internet-Usern suggeriert wurde. So hat die Staatsanwaltschaft Amberg dem häufig zu hörenden Vorwurf der "Hetzjagd" widersprochen. Vielmehr habe es sich "um zwei oder mehr Vorfälle gegen 18.45 Uhr sowie wenigstens zwei weitere Vorfälle gegen 20.45 Uhr" gehandelt. Der Rest ist noch Sache von Ermittlungen.

Und zweitens kommt nun heraus: Eine breite Mehrheit der Menschen in Bayern ist gegen eine weitere Verschärfung von Gesetzen (60 Prozent), sie hält es für ausreichend, dass die bereits bestehenden - und in den letzten Jahren ohnehin verschärften Regeln - durchgesetzt werden. Mit anderen Worten: Der Rechtsstaat soll seine Arbeit machen. Die Werte stammen aus dem "BayernTrend" des BR für Januar, für die infratest dimap unmittelbar in der Woche nach den Amberger Vorfällen 1.000 Wahlberechtigte befragt hatte.

(Interessanterweise gibt es sogar unter AfD-Anhängern eine hauchdünne Mehrheit für die Anwendung der existierenden Gesetze gegenüber einer Verschärfung - 47 zu 46 Prozent -, bei den CSU-Sympathisanten ist das Verhältnis mit 54 zu 42 Prozent noch deutlicher.)

Seehofer hat das Gespür für die Stimmung im Land verloren

Was bedeutet das für Noch-CSU-Chef und Bundesinnenminister Horst Seehofer, der sich von den Amberger Angriffen in der Bild "aufgewühlt" gezeigt hatte und als einer der Ersten an der Verschärfungsspirale drehen wollte? Er kommt in der Umfrage nicht gut weg: Im Vergleich zu vor fünf Jahren haben sich seine Zustimmungswerte unter den bayerischen Wählern ins Gegenteil verkehrt: 68 Prozent sind mit ihm weniger bis gar nicht zufrieden. Es wird immer deutlicher, dass Seehofer das Gespür für die tatsächliche Stimmungslage im Land verloren hat - wie andere in der Partei, die im Wahlkampf vor allem auf migrationsskeptische Töne setzten, um die AfD kleinzuhalten.

Gebracht hat es nichts, die AfD ist trotzdem in den Landtag eingezogen. Allerdings hat sie seitdem zwei Prozentpunkte an Zustimmung verloren (acht statt 10,2), ebenso wie die CSU (35 statt 37). Würde am kommenden Sonntag erneut gewählt, hätten vor allem  die Grünen Grund zum Jubeln, die laut Umfrage auf 21 Prozent der Stimmen hoffen dürfte (bei der Wahl waren es 17,6). Und auch die Freien Wähler könnten Zuwächse verzeichnen (von 11,6 auf 13 Prozent). Beide Parteien liegen auch vorn, wenn alle Wahlberechtigten (nicht nur ihre Anhänger) gefragt werden: 45 Prozent sind mit der bisherigen Arbeit der FW zufrieden, die Grünen können gar als einzige Kraft im Landtag mehr als jeden zweiten Bayern überzeugen (53 Prozent).

Söder hat verstanden

Die CSU kommt hingegen, trotz des üblichen Ministerpräsidenten-Bonus, nur auf 42 Prozent. Sie ist deshalb gut beraten, sich um Sachpolitik zu kümmern, um Probleme, die den Alltag der Menschen im Land betreffen.

Man kann davon ausgehen, dass Regierungschef Markus Söder, der Seehofer bald auch als Parteivorsitzender beerben wird, das verstanden hat. Nicht umsonst hatte er sich nach "Amberg" zurückhaltend geäußert: "Wir verurteilen Gewalttaten auf Schärfste, aber auch den Versuch rechtsextremer Gruppen, dies zu instrumentalisieren". Söder weiter: "Migration bleibt weiterhin ein zentrales Thema. Aber wir stellen die Balance zwischen Humanität und Ordnung in den Mittelpunkt." Das klang schon ziemlich anders als die von Seehofer angeführte "Mutter aller Probleme".

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