Kommentar: Ein absurdes Theater um die Dienstpflicht

7.8.2018, 11:46 Uhr

Das medizinische Phänomen ist bekannt: Temperaturen bis knapp unter die 40-Grad-Marke erschweren das Aufnehmen und Verarbeiten von Informationen, gemeinhin unter dem Begriff Denken zusammengefasst. Wer's nicht glaubt, muss sich nur - vorzugsweise in einem kühlen Raum - mit der Diskussion um eine allgemeine Dienstpflicht beschäftigen.

Die Debatte tobt seit dem Wochenende, die Union ist ein bisschen dafür und ein bisschen dagegen, die SPD setzt auf Freiwilligkeit. Viele melden sich zu Wort, Nordrhein-Westfalens Sozialminister Josef Laumann ebenso wie Mecklenburg-Vorpommerns Regierungschefin Manuela Schwesig.

Das darf natürlich so sein, Demokratie funktioniert so. Was aber nicht sein darf, dass die Befürworter  - Sachsen-Anhalts Regierungschef Reiner Haselhoff oder der Baden-Württemberger CDU-Landeschef Thomas Strobl - das entscheidende Argument unterschlagen, obwohl es seit Tagen bekannt ist. Dabei kann man ihnen zumuten, dass sie sich informieren. Oder dass sie ihre Leute damit beauftragen.

Hohe Hürden für Änderung im Grundgesetz

Denn: Das Grundgesetz verbietet Zwangsarbeit; es lässt unter bestimmten Umständen - und jetzt folgt der entscheidende Begriff - eine herkömmliche Dienstpflicht zu. Eine herkömmliche! Damit war der Wehrdienst germeint, vielleicht auch noch Brand- oder Küstenschutz. Eine Neueinführung ist dagegen unzulässig - die Mütter und Väter des Grundgesetzes hatten kurz nach Kriegsende Hitlers Reichsarbeitsdienst noch in unguter Erinnerung und wollten alles verhindern, was auch nur ansatzweise ähnlich aussehen könnte.

Nun gibt es ganz Pfiffige wie Sachsens Ministerpräsidenten Michael Kretschmer, der eine Volksbefragung dazu anregt. Der Mann hat, jedenfalls in diesem Punkt, nicht verstanden, wozu eine Verfassung gut ist: Sie schützt unter anderem Minderheiten - hier:  junge Menschen - vor Willkürentscheidungen der Mehrheit. Auch in einer Volksbefragung.

Nun könnte man natürlich auf die scheinbar schlaue Idee kommen, das Grundgesetz zu ändern. Die Hürden dafür sind hoch, vor allem aber wäre es nutzlos. Denn die Europäische Menschenrechtskonvention verbietet eine Dienstpflicht, und sie ist hier unmittelbares, einklagbares Recht.

Können jetzt noch Fragen offen sein? Trotz Hitze: Eindeutig nein.

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