May steht beim Brexit allein da

Nürnberg - Theresa May mag noch so sehr den Eindruck vermitteln, sie habe beim Brexit alles unter Kontrolle. Die Wahrheit ist, dass in Downing Street 10 vieles drunter und drüber geht. Ein Kommentar von Georg Escher.

Die britische Premierministerin jongliert gleichzeitig mit sehr vielen Bällen, von denen einige einen gefährlichen Drall entwickelt haben. Der schottische Ball etwa könnte schnell auf dem Boden landen und den Balance-Akt zur Pleite werden lassen.

Die Neigungen der Schotten, sich vom Königreich abzuspalten, sind nicht sehr groß. Doch May hat ihr Versprechen, die nördlichen Nachbarn in die Überlegungen, wie der Brexit ausgestaltet werden soll, voll mit einzubeziehen, schlicht gebrochen. Ein neues Referendum in Schottland, wie die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon nun angekündigt hat, kann London nicht wirklich ablehnen. May könnte es allenfalls verzögern. Doch damit wäre wenig gewonnen. Der Preis für den Austritt wäre womöglich der Zerfall des Vereinten Königreiches.

Knapper Volkswille

Die britische Premierministerin geht ein hohes Risiko ein, weil sie bisher bewusst darauf verzichtet hat, sich Rückendeckung zu verschaffen. Der "Volkswille" beim Referendum, auf den May sich beruft, war nicht so eindeutig, wie sie vorgibt. Eine Mehrheit von 52:48 Prozent bei einer Entscheidung dieser Tragweite ist denkbar dünn.

May hätte versuchen können, sich wenigstens im Parlament Unterstützung zu besorgen. Doch das lehnt sie kategorisch ab. Sie hat sich nur das Plazet gesichert, praktisch frei von Vorgaben den Brexit ins Werk setzen zu können. Der Versuch einiger Lords im Oberhaus, eine "bedeutsame Abstimmung" des Parlaments festzuschreiben, ist ins Leere gelaufen.

Damit versündigt sich May am Kern des Austrittsbegehrens. Die ganze Brexit-Kampagne baute auf dem Versprechen auf, dass endlich wieder das britische Parlament Herr der Geschicke des Landes werden solle. Davon ist nun nichts mehr übrig geblieben. Was für ein Debakel.

Einer der Lords im Oberhaus hat das am Montagabend verabschiedete Brexit-Gesetz als "kürzeste Selbstmordankündigung der Geschichte" bezeichnet. Wenn der Austritt der Briten aus der EU das Land in die Krise stürzt, wird Theresa May niemanden haben, den sie mit in die Verantwortung nehmen kann. Sie steht jetzt ganz allein auf weiter Flur.