Mindestlohn: Warum die Erhöhung noch lange nicht ausreicht

26.6.2018, 14:06 Uhr
Die geplante Anhebung des Mindestlohns auf 9,19 Euro ist viel zu gering, findet NN-Politikredakteur Georg Escher.

© Norbert Neetz/epd Die geplante Anhebung des Mindestlohns auf 9,19 Euro ist viel zu gering, findet NN-Politikredakteur Georg Escher.

Es war fast ein Kulturkampf, der vor der Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns in Deutschland ausgetragen wurde. Deutschland werde international an Konkurrenzfähigkeit verlieren, der Standort werde geschädigt, viele Dienstleistungsjobs würden in Nachbarländer abwandern. Nichts davon – zumindest fast nichts – ist eingetreten. Das wird sich auch nicht ändern, wenn der Mindestlohn jetzt sehr moderat auf 9,19 Euro angehoben wird (und 2020 auf lächerliche 9,35 Euro). Trotz des nun höheren Satzes steht die Wirtschaftsgroßmacht Deutschland damit unter den EU-Staaten nicht etwa auf Platz eins, sondern nur auf Rang sechs.

Wir liegen auch künftig nicht nur weit hinter Luxemburg, das mit 11,55 Euro in einer eigenen Liga spielt. Auch Frankreich, die Niederlande, Irland und Belgien, von denen drei Staaten (außer den Holländern) wirtschaftlich nicht zu den Powerhäusern zählen, haben höhere Untergrenzen.

Immerhin, es ist ein kleiner Fortschritt. Aber dass der Mindestlohn ein Allheilmittel gegen Armut in diesem reichen Land sein könnte, auch diese ohnehin geringe Hoffnung hat sich selbstverständlich nicht erfüllt. Im Gegenteil: Trotz der gesetzlich verankerten Lohnuntergrenze ist der Niedriglohnsektor in Deutschland einer der größten in ganz Europa.

Die Kluft zwischen den Wohlhabenden im Land und denen, die nicht wissen, wie sie am Monatsende ihre Ausgaben berappen sollen, wächst. Schon jetzt ist sie größer als im EU-Schnitt – und da ist es verständlich, wenn nicht nur Wohlfahrtsverbände und Kirchen das als Schande begreifen. Und dass wir auf eine wachsende Altersarmut zusteuern, ist auch so sicher wie das Amen in der Kirche.

Die Anhebung des Mindestlohns ist viel zu gering, um hier tatsächlich viel ausrichten zu können. Dazu wären andere Instrumente nötig. Als erstes müsste die Einhaltung viel schärfer kontrolliert werden, denn bis heute wird die Regelung von vielen Firmen massiv unterlaufen. Das beste Mittel dagegen, dass sich so viele Menschen mit Billiglöhnen abfinden müssen, wären im Übrigen nicht irgendwelche staatlichen Regulierungen (die es auch braucht). Der größte Hebel wäre eine Bildungspolitik, die verhindert, dass so viele junge Menschen ohne Abschluss aus der Schule abgehen und selbst viele mit einem Zeugnis so wenig wissen und können, dass sie anschließend kaum Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben.

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