Mullahs am Ende: Der Iran hat jeden Rückhalt verspielt

3.1.2018, 08:14 Uhr
Auch in Rom wurde gegen das religiöse Regime der Mullahs protestiert.

© Gregorio Borgia Auch in Rom wurde gegen das religiöse Regime der Mullahs protestiert.

Vor allem die jungen Menschen – mehr als zwei Drittel der 80 Millionen Iraner sind unter 30 – haben es satt, sich von einem religiösen Apparat schikanieren zu lassen, der nicht nur nichts gegen die Armut und Korruption unternimmt, sondern den Staat selbst regelrecht ausplündert.

Überraschend ist allerdings der Zeitpunkt, zu dem sich der Zorn der Iraner entlädt. Selbst diejenigen, die die religiöse Führung verachten und hassen, wollten kein Blutbad wie im Jahr 2009 riskieren. Damals waren Zehntausende gegen den offenkundigen Wahlbetrug bei der Präsidentschaftswahl auf die Straße gegangen. Das System aber schlug mit größtmöglicher Brutalität zurück. Ein Schock, der bis heute nachwirkt.

Fliehkräfte in der Elite

Alle schienen sich auf den Zeitpunkt einzurichten, wenn der greise Oberste Führer Ali Chamenei stirbt. Der 78-jährige Ajatollah soll krank sein. Innerhalb des schiitischen Klerus tobt deswegen ein gnadenloser Machtkampf. Hardliner bekriegen erbittert alle, die halbwegs als Reformer durchgehen könnten. Die Fliehkräfte sind also schon innerhalb der Machtelite groß. Bisher schien es zweifelhaft, ob irgendjemand die Autorität erlangen könnte, diese Fliehkräfte zu beherrschen.

Dass nun möglicherweise ein von den Hardlinern angestachelter Protest in den konservativen Hochburgen Maschhad und Ghom gegen den als eher moderat geltenden Präsidenten Hassan Ruhani den entscheidenden Funken erzeugt haben könnte, um im Iran einen Flächenbrand an zornigen Demonstrationen auszulösen, wäre eine Ironie der Geschichte. Der Funke traf jedenfalls auf reichlich entzündliches Material.

Der religiöse Eifer, den die Mullahs nach außen zelebrieren, hat mit der Realität nichts zu tun. Auf den Straßen werden Frauen von der Sittenpolizei drangsaliert, nur weil ihnen der Schleier zu weit nach hinten gerutscht ist. Dabei ist offenkundig, wie schamlos die Elite sich den Reichtum des Landes einverleibt. Der Klerus kontrolliert große Teile der Wirtschaft, hat während des Embargos auch prächtig am Schmuggel verdient. Von moralischen Ausschweifungen ganz abgesehen.

Jugend ohne Arbeit

Das alles kontrastiert sehr schrill mit der bitteren Armut in diesem stolzen Land mit seinen Millionen gut ausgebildeten Menschen. Die Arbeitslosigkeit bei den unter 25-Jährigen soll bei mehr als 27 Prozent liegen. Ein Viertel der Bevölkerung ist auf staatliche Hilfe angewiesen, um zu überleben. Auch mit den Sanktionen, die wegen des Atomstreits über den Iran verhängt wurden, war das nicht zu erklären.

Dazu kamen die hohen Milliardensummen, die Teheran an die Hisbollah im Libanon, an die Hamas im Gazastreifen zahlte und mit denen sie Söldner im Irak und in Syrien bezahlte. Nur für die eigene Bevölkerung blieb nichts mehr übrig.

Nach der Lockerung des Embargos hatte Präsident Ruhani Besserungen versprochen. Doch daraus wurde nicht viel, auch weil die Hardliner sich mit aller Macht gegen eine Öffnung der Märkte und gegen mehr Wettbewerb sträubten. Die Bevölkerung bewies viel Geduld, doch irgendwann riss auch dem Letzten der Geduldsfaden.

Ob das Mullah-Regime diesen Machtkampf übersteht, das wird im Iran entschieden werden (müssen). Ruhani hat bemerkenswerterweise all jenen widersprochen, die den neuen Protest als von außen gesteuert diffamieren. Einen Regime-Wechsel von außen zu fordern – wie Donald Trump – ist wenig hilfreich. Doch politisch-moralischer Beistand ist wichtig. Die Iraner werden nicht vergessen, wie der Westen sich jetzt verhält.

Verwandte Themen


6 Kommentare