NSU-Prozess: Viele Fragen sind noch offen

11.7.2018, 13:33 Uhr
Nach über fünf Jahren und mehr als 430 Prozesstagen werden im NSU-Prozess am Oberlandesgericht München die Urteile gesprochen. Zschäpe wurde zu lebenslang verurteilt.

© Peter Kneffel/dpa-Pool/dpa Nach über fünf Jahren und mehr als 430 Prozesstagen werden im NSU-Prozess am Oberlandesgericht München die Urteile gesprochen. Zschäpe wurde zu lebenslang verurteilt.

Zum Ende des NSU-Prozesses muss zunächst mit einem Irrtum aufgeräumt werden: Aufgabe der Strafgerichte in Deutschland ist es, die individuelle Schuld eines Angeklagten festzustellen, aber nicht, mögliche weitere Straftäter oder ein Unterstützernetzwerk zu ermitteln. Das ist Aufgabe von Polizei und Staatsanwaltschaft.

Der Frust darüber, dass immer noch nicht alle Hintergründe des "Nationalsozialistischen Untergrunds" aufgedeckt wurden, darf deshalb nicht beim Oberlandesgericht München abgeladen werden. Dasselbe gilt für den Unmut darüber, dass bei einer Prozessdauer von fünfeinhalb Jahren und knapp 30 Millionen Euro Kosten nicht die Rede von "die Strafe folgt auf dem Fuße" sein kann, wie dies eigentlich sein sollte. Das ist zum großen Teil den komplizierten Verfahrensvorschriften der Strafprozessordnung geschuldet, die einem Heer von Verteidigern und Nebenklägeranwälten zur Verfügung stand.

Blamage historischer Dimension

Soweit man erkennen kann, hat das OLG München alles getan, um seine Entscheidung wasserdicht zu machen. Es wäre eine Blamage von historischer Dimension, wenn das Urteil in der Revision aufgehoben würde und der ganze Fall neu verhandelt werden müsste. Theoretisch ist das nicht ausgeschlossen, aber nicht wahrscheinlich.

Schon lange war erkennbar, dass sich die Richter nicht durch die völlig unglaubwürdige Strategie der Hauptangeklagten und ihrer wechselnden Verteidiger würden täuschen lassen, sich als unwissende Freundin der beiden ums Leben gekommenen Haupttäter zu präsentieren, welche die Morde eigentlich verabscheute. Diese Version war nun wirklich nicht zu halten. Die Verurteilung als Mittätern und die Höchststrafe waren unausweichlich.


Die Urteilsverkündung in unserem Liveblog zum Nachlesen!


Geringere Strafen als gefordert

Über die Urteile gegen die Mitangeklagten kann man schon eher diskutieren. Zum Teil wurden weit geringere Strafen verhängt als die Bundesanwaltschaft gefordert hatte. Carsten S. zum Beispiel ist sehr milde davon gekommen, weil er sich als Kronzeuge zur Verfügung gestellt hat.

Die Justiz hat erst einmal ihre Hausaufgaben gemacht und sich redlich bemüht, der Dimension der rechtsextremistisch-rassistischen Mordserie gerecht zu werden und soweit möglich deren Hintergründe aufzuhellen. Für einige Sicherheitsbehörden in Deutschland kann man dies leider nicht sagen. Insgesamt zwölf Untersuchungsausschüsse des Bundes und der Länder förderten nicht nur eine Vielzahl von Pannen, sondern auch von behördlichem Vertuschen und institutionalisiertem Rassismus zu Tage.

Immerhin besteht jetzt die berechtigte Hoffnung, dass die Sicherheitsbehörden zukünftig in solchen Fällen ohne Scheuklappen vorgehen. Mehr Sensibilisierung ist jedenfalls nicht vorstellbar.

Verwandte Themen


1 Kommentar