Warum May beim Spiel mit dem Brexit-Zauberwürfel scheiterte

15.1.2019, 22:18 Uhr
Die britische Premierministerin Theresa May hat die Abstimmung im Parlament über den Austritts-Deal verloren. (Symbolbild)

© Matt Dunham/AP/dpa Die britische Premierministerin Theresa May hat die Abstimmung im Parlament über den Austritts-Deal verloren. (Symbolbild)

Theresa May hat die schwerste Abstimmungsniederlage seit den 20er Jahren erlitten. Mit 230 Stimmen Mehrheit lehnte das Parlament den Deal der Premierministerin für den zum 29. März beschlossenen Austritt aus der EU ab. Labour-Führer Jeremy Corbyn stellte sofort die Vetrauensfrage, über die schon heute entschieden wird. Das könnte das Ende von Mays Amtszeit bedeuten, aber noch lange nicht das Ende der Brexit Misere, die Großbritannien seit drei Jahren plagt.

Ein Gang in der Breite von zwei Schwertlängen trennt im Unterhaus die zwei Bankreihen der Regierungspartei von den Sitzen der Opposition. Dies sollte ursprünglich verhindern, dass sich Kontrahenten in der Hitze der Debatte ans Leder gehen. Bei den leidenschaftlichen Rededuellen, die sich die Gegner und Befürworter vor der Abstimmung über den Austritts-Deal Utopien lieferten, konnte man wohl froh über diese historische Sicherheitszone sein.

Doch die Sitzordnung in dem ehrwürdigen Palast von Westminster ist ebenso antiquiert, wie die lieb gewordene Vorstellung von der "Mutter der repräsentativen Demokratie." Im Grunde hätte es vier getrennter Sitzblöcke für die "Volksvertreter" bedurft, die zur Lösung der wohl größten politischen Krise der britischen Nachkriegsgeschichte keine Einigkeit erzielen konnten. Der Block der fanatischen EU-Fresser musste die Bankreihen mit Parteifreunden teilen, die den Brexit am liebsten widerrufen würden. Loyale Anhänger von Mays Deal saßen Schulter an Schulter mit den Propagandisten eines neuen Referendum, die das ganze Kuddelmuddel wieder an die Urheber zur Entscheidung zurückgeben wollen.

 

916 Tage nach ihrem Amtsantritt war für Theresa May der längste Tag angebrochen. Seinerzeit übernahm sie ihren Posten von dem unglückseligen Vorgänger David Cameron, der wegen des Fiasko des von ihm arrogant angesetzten Volksentscheids zurücktrat. Bei der Kandidatur für den konservativen Parteivorsitz überzeugte seine Nachfolgerin mit der selbstbewussten Feststellung: "Ich heiße Theresa May und bin die beste Person für diesen Job."

Das traurige daran ist, dass sie es immer noch ist. Im Augenblick gibt es niemand, der den im Brexit stecken gebliebenen Karren aus dem Dreck ziehen kann. Und das Gerangel im Parlament um Mays Deal lässt ihn noch tiefer versinken. Wenn man Briten nach ihrer Meinung zu dem seit drei Jahren herrschenden Chaos befragt, bekommt man meistens den Seufzer zu hören: "Um Gottes Willen, macht endlich Schluss damit!"

Unglückselige "rote Linien"

May glaubte, dass ihr Deal diesen Wunsch erfüllt und die Spaltung überbrückt, die nicht nur die Generationen und Regionen zerriss, sondern selbst durch Familien und Freundeskreise geht. Doch ihr mit Brüssel geschlossenes Abkommen schaffte es, alle Konfliktparteien in der Ablehnung zu vereinen. May komplizierte das Spiel noch mehr mit ihrem "roten Linien" die sie für die britische Verhandlungsposition zog und verlor durch eine völlig unnötig angesetzte Neuwahl die Kontrolle über die Ecksteine einer konservativen Mehrheit im Parlament.

Nun bleibt das verhängnisvolle Spiel um die Zukunft Großbritanniens weiter offen. Die bange Frage für die entnervten Zuschauer ist nun, ob ihr der für seine Winkelzüge berühmte Labour-Chef Jeremy Corbyn mit seiner Vertrauensfrage den Brexit-Zauberwürfel entreißen kann und mit linkssozialistischen Drehungen und Wendungen eine Lösung erreicht.

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