Neustadt: Minister trifft auf verzweifelte Milchbauern

27.5.2016, 20:00 Uhr
Neustadt: Minister trifft auf verzweifelte Milchbauern

© Harald Munzinger

Die Bauern sehen sich wegen der stark gesunkenen Preise derzeit in einer akuten Existenzkrise und reagierten dementsprechend enttäuscht. Der Vorsitzende der Freien Wähler, Hubert Aiwanger, sprach gar von einer "Nullnummer" Schmidts.

Aiwanger hatte am Fronleichnamstag mit der Landtagsabgeordneten Gabi Schmidt das "Promitreffen" am Gatter von Kuh "Zilly" neben dem Protestcamp der Milchbauern eröffnet, das die Tage zuvor schon mit Politikern verschiedener Parteien sowie führenden Verbandvertretern für bundesweites Medieninteresse am Protest des Bundes Deutscher Milchviehhalter (BDM) gesorgt hatte. Und für jede Menge Verbrauchergespräche, die aus Sicht des BDM-Kreisvorsitzenden dafür gesorgt hatten, die prekäre Situation der Milchbauern bewusst zu machen.

Aiwanger und seine Landtagskollegin Gabi Schmidt (FW) warfen Bundeskanzlerin Merkel und ihrem "Handlanger Schmidt" vor, an der Seite der großen Supermarktketten zu stehen, die nur billige Ramschware wollten. Die Freien Wähler hingegen stünden klar an der Seite der Milchviehhalter als Opfer des Preisverfalles und seien für eine bäuerliche Landwirtschaft. "Wir wollen in Bayern keine Kolchosen, wie früher in der DDR und keine Investoren, die immer mehr in die Landwirtschaft drängen".

Denn der Preisverfall bei der Milch treibt Bauern derzeit dazu, ihre Betriebe immer mehr zu vergrößern, um noch halbwegs rentabel arbeiten zu können.

Nur bäuerliche Landwirtschaft auf Dauer verbraucherfreundlich

Man fordere faire Marktbedingungen, die es schon lange nicht mehr gebe, erklärte Hubert Aiwanger in den Interviews von TV-Teams und Journalisten.  Minister Schmidt riet er zu einer neuen Brille, wenn dieser die existenzbedrohende Krise der Milchbauern nicht sehe. Nur eine bäuerliche Landwirtschaft sei auf Dauer verbraucherfreundlich, sagte der Freie Wähler-Vorsitzende und forderte die Politik auf, an der Seite der Bauern zu stehen. Der BDM habe mit der Milchproduktion nach Marktlage das richtige Konzept zur Lösung der aktuellen Krise. Die Milchviehhalter fordern die Einrichtung eines europäischen Monitoringsystems um so die produzierte Milchmenge der Marktlage anzupassen.

Höfesterben verändert das Land

Seine Kollegin Gabi Schmidt (FW) befürchtete eine gravierende Veränderung der Landschaft, wenn das Höfesterben so weitergehe - von bayernweit 300.000 Milchbauern-Höfen in den 1970er-Jahren gebe es derzeit noch 30.000. Nach Prognosen in fünf Jahren noch 10.000 mit den Betriebsleitern als "Sklaven der Banken". Dies werde auch das Leben in den Dörfern und im ländlichen Raum verändern.

Aus dem Kreis der Milchbauern wurde berichtet, dass die Kühe von aufgelassenen Höfen nicht zum Schlachthof gebracht, sondern in Ställen von Hedgefonds landeten, womit wiederum die offensichtlich politisch gewollte Überproduktion befördert werde. Man brauche TTIP gar nicht, meinte der Vorsitzende des BDM im Kreis Neumarkt, Fritz Wienert, da dessen Strategie, ein Marktmonopol der Konzerne, in Deutschland ohnehin schon praktiziert werde.

Peter Meyer, BDM-Kreisvorsitzende in Neustadt/Aisch und Leiter des Protestcamps, begrüßte, dass Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt das Camp der Milchbauern besuchte und und appellierte an ihn, die Milch-Überproduktion in Europa zu stoppen und die darauf abzielenden Beschlüsse der deutschen Agrarministerkonferenz umzusetzen. Es müsse schnellstens eine Möglichkeit geschaffen werden, die Milchmenge um einige Prozent zu senken, so dass der Preisverfall gestoppt werde. Über Bankbürgschaften und durch Zuwendungen von Berufsgenossenschaften würde nur an Symptomen operiert und nicht die Ursache der Krise beseitigt.

BDM bei Milchgipfel nicht am Tisch

Warum der BDM beim Milchgipfel Ende Mai in Berlin nicht mit am Tisch sitze, dafür eine Reihe von Verbänden, "die alle nicht melken", ließ der Minister am Donnerstag in Neustadt unbeantwortet. Er verwies auf vorausgehende Gespräche, zu denen auch der Bund Deutscher Milchviehhalter eingeladen. Schmidt werde diese auch mit den Verbraucherschützern, den Länderministern und dem EU-Kommissar führen. Vom Verbraucher über den Lebensmitteleinzelhandel bis zu den Genossenschaften und Molkereien müssten "alle Farbe bekennen, was sie in dieser Sache zu tun bereit" seien.

Dass er im europäischen Verbund die entscheidende Stimme habe, wies Schmidt zurück. Sicher müsse man eine europäische Lösung finden und könne mit Frankreich wohl einen Konsens erreichen. Alle anderen der insgesamt 28 EU-Agrarminister setzten indes aber klar auf Expansionskurs. "Das macht die Sache so schwierig". Schmidt setze deshalb "so weit wie möglich auf nationale Lösungen, so weit diese auf dem Markt umzusetzen" seien.

Schmidt zeigte sich über Expansions-Kurs der Bauern erstaunt

Überrascht zeigte sich der Landwirtschaftsminister, dass aus den Krisen 2008 und 2009 keine nachhaltigen Konsequenzen gezogen worden seien, die Probleme offenbar vergessen würden, wenn es mal wieder besser gehe, Und ebenso überraschte ihn der Antrag von 1000 neuen Kuhplätzen im süddeutschen Raum - und das nicht etwa von Aktiengesellschaften, sondern von Milchbauern. Da die staatliche Quotierung nichts gebracht habe, müssten nun alle Verbände nach Lösungen der anerkannt schwierigen Situation suchen, wozu es verschiedene Instrumente gebe. Hilfreiche wäre es sicherlich, wenn im Berufsstand mit einer Stimme gesprochen werde.

Dass dies mit dem Bauernverband nicht möglich sei, da er Konzerninteressen vertrete, wurde aus der Runde der Demonstranten erklärt, mit denen der angeregte Dialog durch weitere Termine des Ministers zeitlich begrenzt war. Schmidt hatte erklärt, dass die Risiken innerhalb der Wertschöpfungskette fairer zwischen den Bauern, den Molkereien und dem Einzelhandel verteilt werden müssten: "Das werde ich zum Thema auf dem Milchgipfel am 30. Mai in meinem Ministerium machen".

Sein Ziel sei es, "die bäuerliche Landwirtschaft in der Region Franken und in ganz Deutschland zu erhalten", erklärte der Minsiter. Diese Aussage allerdings wurde unter den Milchbauern auch nach dem Treffen bezweifelt. Für sie bleibt die freiwillige Mengenreduzierung der einzige Weg, um den Markt ins Gleichgewicht zu bringen. Daran, so BDM-Kreisvorsitzender Peter Meyer, werde man festhalten und nicht aufhören, dies vom Minister einzufordern. Mit Steuergeldern, die oben mit der Gießkanne reingeschüttet und unten rausfließen würden, sei den Milchbauern nicht geholfen, die sich mit Millionenverlusten "nicht mundtot reden lassen“.

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