Sommerpause im Chefarzt-Prozess: Eine Zwischenbilanz

12.8.2015, 13:54 Uhr
Sommerpause im Chefarzt-Prozess: Eine Zwischenbilanz

© Nicolas Armer/dpa

Der Fall hat das Klinikum Bamberg im Vorjahr bundesweit in die Schlagzeilen gebracht: Hat ein renommierter Chefarzt Frauen betäubt, um sich an ihnen zu vergehen?

In dieser Woche geht das Mammutverfahren, bei dem die Staatsanwaltschaft dem 49 Jahre alten Familienvater Vergewaltigung, sexuelle Nötigung und schwere Körperverletzung vorwirft, in die Sommerpause. Zwei ursprünglich angesetzte Verhandlungstage sind abgesagt worden, weil der Angeklagte erkrankt war. Am 7. September steht der nächste Termin an. Zeit für einen Zwischenstand.

Der Prozess begann am 7. April. Ursprünglich wurde für Ende Mai mit einem Urteil gerechnet. Warum zieht sich das Verfahren deutlich länger hin?

Bereits zum Auftakt machte der Angeklagte ausführliche Angaben. Er sprach lange über seinen Werdegang, über seine Leistungen als Mediziner, ebenfalls über sein Fachgebiet Gefäßchirurgie. Er wollte sich als renommierter Arzt präsentieren, der für seine Taten medizinisch-plausible Erklärungen hat. Schon da war klar – der Prozess würde dauern. Dann folgten Anträge der Verteidigung, die unter anderem der Kammer Befangenheit oder einen einem medizinischen Gutachter Voreingenommenheit vorwarfen.

Was genau wirft die Staatsanwaltschaft dem Arzt vor?

An zehn Patientinnen zwischen 17 und 28 Jahren soll er sich vergangen haben und zudem an zwei jungen Frauen, die zum Tatzeitpunkt im Klinikum Bamberg gearbeitet hatten. Er soll ihnen zwischen 2008 und 2014 Betäubungsmittel verabreicht und sie dann missbraucht haben. Den Patientinnen soll er Untersuchungen vorgegaukelt haben, den Mitarbeiterinnen eine Studie. Er soll immer Zeiten genutzt haben, in denen in der Ambulanz für Gefäßchirurgie keine Mitarbeiter mehr anzutreffen waren. Zudem soll er Foto- und Videomaterial vom Intimbereich der Frauen angefertigt haben. Besonders heikel ist ein Fall, den die Staatsanwaltschaft ebenfalls erwähnt: Der Angeklagte soll sich bei einem Ausflug in einem Hotelzimmer an der damals 18 Jahre alten Patentochter seiner Frau vergangen haben.


Welche Verteidigungsstrategie haben der angeklagte Arzt und seine Anwälte?

Sie stellen die Ermittlungsergebnisse komplett infrage und werfen der Staatsanwaltschaft eine Vorverurteilung vor. Nie sei auch nur in Betracht gekommen, dass es sich tatsächlich um medizinisch sinnvolle Untersuchungen gehandelt haben könnte. «Ich bin weder Sex-Arzt noch Dr. Pervers», sagt der Angeklagte. Es sei ihm allein um die Erforschung von neuen Behandlungsmethoden zur Beckenvenen-Thrombose gegangen - und dazu habe er eben unkonventionelle Wege beschritten. Besonders im Fokus der Verteidigung: die polizeilichen Ermittlungen und die Hauptbelastungszeugin. Die Polizei habe sofort in die Richtung des sexuellen Missbrauchs ermittelt.

Wer ist die Hauptbelastungszeugin?

Den Fall ans Tageslicht befördert hat eine Medizinstudentin, die in Bamberg zum Tatzeitpunkt ein Praktikum machte. Sie glaubt, an einer Studie des renommierten Chefarztes teilzunehmen. Tatsächlich, so der Vorwurf, soll er sie ruhiggestellt haben, um sich an ihr zu vergehen. Weil sie sich an nichts erinnern kann und sich schlecht fühlt, lässt sie sich von ihrem Vater, einem Arzt aus Coburg, Blut abnehmen. Darin wird das Betäubungsmittel nachgewiesen. Die Ermittlungen kommen ins Rollen. Die Beweiskraft der Blutprobe zweifelt die Verteidigung ebenso an wie die Aussagen des Vaters, der erstaunlich viele Details nicht mehr wisse - etwa den genauen Ort der Blutentnahme. Mit Spannung wird deshalb die Aussage der Studentin selbst vor der Strafkammer erwartet. Es ist allerdings damit zu rechnen, dass dabei die Öffentlichkeit ausgeschlossen wird. Das dürfte auch für die weiteren mutmaßlichen Opfer gelten.

Wie tritt der Mediziner vor Gericht auf?

Er will mit aller Vehemenz deutlich machen, dass er eben kein Sexualtäter ist. Dass er eine ordentliche Karriere als Gefäßchirurg hingelegt hat. Dass es ihm allein um die Erforschung der Beckenvenen-Thrombose ging. Er hat dafür eigens einen Power-Point-Vortrag angefertigt. Dem Gericht und der Staatsanwaltschaft gibt er deutlich zu verstehen, dass er sie für Laien hält. Obwohl er auch durchblicken lässt, wie sehr ihn die Situation in der Untersuchungshaft belastet, tritt er stets akkurat im Anzug auf, in den Prozesspausen lächelt er freundlich und ist nicht um einen Smalltalk verlegen. Auch greift er immer wieder selbst ins Geschehen ein - stellt etwa Fragen an Ermittlungsbeamte im Zeugenstand oder liefert sich ein Wortgefecht mit einem Nebenklageanwalt.