Erdkabel als Alternative zur Stromtrasse birgt Tücken

12.2.2014, 10:00 Uhr
Erdkabel als Alternative zur Stromtrasse birgt Tücken

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Raumwiderstände wollten die Netzbetreiber tunlichst vermeiden. Amprion und Tennet umkurvten deshalb mit ihren Trassenvorschlägen für die neuen, gigantischen Stromautobahnen vorsorglich Truppenübungsplätze, Vogelschutzgebiete und andere potenzielle Hindernisse. Mit dem Proteststurm gegen die „Monstermasten“ überall im Land gewinnt der Begriff „Raumwiderstand“ plötzlich eine völlig neue Bedeutung.

Die Rechtslage ist klar: Die Leitungen sind beschlossene Sache, daran ändert auch das von der bayerischen Staatsregierung gewünschte Moratorium zunächst nichts. Allenfalls über Korrekturen beim Trassenverlauf könne man noch reden, geben die Netzbetreiber zu bedenken.

Über 30.000 Kilometer Freileitungen gibt es schon

Derzeit besteht das 380-kV-Höchstspannungsnetz in Deutschland fast ausschließlich aus Freileitungen. Bundesweit haben diese aktuell eine Gesamtlänge von mehr als 30.000 Kilometern. Doch angesichts der heiß diskutierten Pläne zum Ausbau des Stromnetzes wird der Ruf nach Alternativen immer lauter.

Freileitungen und Erdkabel haben Vor- und Nachteile. Bei der Gleichstromtechnik, wie sie bei der Strompassage von Bad Lauchstädt (Sachsen-Anhalt) nach Meitingen bei Augsburg quer durch die Metropolregion Nürnberg zum Einsatz kommen soll, stehen hinter den Umweltauswirkungen der Strommasten-Variante noch einige Fragezeichen. Hubert Karl, Professor für Elektrotechnik an der Technischen Hochschule Nürnberg, ist sehr skeptisch: „Da wird mir Angst, weil niemand darüber nachdenkt.“

Das würde dafür sprechen, die Stromautobahn unter die Grasnarbe zu verlegen - wenn es denn aufgrund der gesetzlichen Vorgaben für diese Trasse überhaupt möglich ist. Bislang gibt es für Erdkabel im Höchstspannungsbereich nur relativ kurze Testabschnitte, einige wenige Pilotprojekte sollen im Zuge der Stromnetzerweiterung dazukommen. Fachleute sind der Auffassung: Ein paar Kilometer im Boden sind machbar, bei einer Entfernung von 450 Kilometern wird es schwierig. Grundsätzlich gibt das Gesetz aber den Genehmigungsbehörden die Möglichkeit, Erdkabel zu verlangen, wenn der Abstand zur Wohnbebauung zu gering ist.

Doch die unterirdische Verlegung ist deutlich teurer. Rund eine Million Euro kostet ein Kilometer einer Zwei-System-Freileitung an Masten, sagt der Netzbetreiber 50hertz. Je nach topographischen Verhältnissen kommt der gleiche Abschnitt unter der Erde auf das Vier- bis Zehnfache. Für das Erdkabel müsse ein zwei Meter tiefer Graben ausgehoben werden.

Schneisen sind ebenfalls zu sehen

Auf der - allerdings nur 25 Meter breiten - Trasse dürfen dann nur Pflanzen mit flachen Wurzeln wachsen. Das könnte Landwirte auf den Plan rufen, die sich fragen könnten, ob es zu einer Erwärmung des Bodens kommt. Die Schneise sei jedenfalls in der Landschaft zu sehen.

Nicht so sehr wie die „Monstermasten“, sagen die Kritiker der geplanten Gleichstromtrasse. Für Freileitungen wird eine Haltbarkeit von 80 Jahren angegeben, für Erdkabel nur von 40 Jahren, halten Experten dagegen. Zudem sei derzeit noch unklar, wie sich der Zersetzungsprozess der Kunststoff-Kabelummantelung auf das Erdreich auswirkt, gibt 50hertz zu bedenken. Auch seien höhere Reparatur- und Ausfallkosten im Fall einer Havarie zu berücksichtigen.

Demgegenüber sind Freileitungen stärker der Witterung ausgesetzt. Mögliche Sturmschäden solle man bei der Kostenfrage nicht unterschätzen, sagt Professor Karl. Entscheidende Vorteile des Erdkabels aber sind die geringeren Verluste bei der Energieübertragung und der Wegfall des elektrischen Feldes außerhalb des Kabels — das bleibt in der Erde. „Unter dem Aspekt der Gesundheit und des Landschaftsschutzes ist Verlegung unter der Erde die bessere Lösung“, ist der Nürnberger Professor überzeugt.

Unterm Strich müsse die Gesellschaft überlegen, welchen Preis sie bei der Trassenfrage zu zahlen bereit sei. Professor Karl: „Die entscheidende Frage ist, was mir die Gesundheit meiner Bürger wert ist, die in der Nähe einer Freileitung leben müssen.“

Lesen Sie hierzu auch den Kommentar für die Stromtrasse: Energiewende ja, Trassen nein? Geht nicht! sowie den Kommentar gegen die Stromtrassen: Gegen den Strom. Stimmen Sie zudem in unserem Online-Voting ab: Ihre Meinung zum Thema können Sie unter dem folgenden Artikel abgeben: Stromtrasse quer durch Franken und Oberpfalz erhitzt die Gemüter.