Wie Erlangen behindertengerechter wird

18.2.2017, 15:00 Uhr
Wie Erlangen behindertengerechter wird

© Archivfoto: VAG

Erlangen hat auf dem Weg zu einer behindertengerechten Stadt viel erreicht. Andernfalls wäre sie von der Aktion Mensch nicht als eine von bundesweit fünf Städten für das groß angelegte Programm "Kommune Inklusiv" ausgewählt worden.

Vertreter der renommierten Soziallotterie hätten schon während der Bewerbungsphase bei einem Besuch in der Hugenottenstadt bemerkt, dass es hier vieles gebe, worauf man aufbauen könne, sagt Thomas Kruse. Der Mitarbeiter des Dienstleisters "Matrix" wird im Auftrag von Aktion Mensch das Projekt die nächsten fünf Jahre begleiten.

Viele Initiativen

So herrsche in Erlangen weitgehend Konsens über die Notwendigkeit inklusionsfördernder Maßnahmen wie etwa den Einsatz von Niederflurbussen. Auch die Verwaltung gehe in dem Bereich bereits heute über die gesetzlichen Mindestanforderungen hinaus, sagt Kruse.

Dass Erlangen den Umbau zu einer behindertengerecht(er)en Stadt schon seit Langem forciert, liege vor allem an einer Vielzahl von (Betroffenen-)Organisationen, die sich in der Stadt gegründet haben, ergänzt Elisabeth Preuß, die für Integration und Inklusion zuständige Sozialbürgermeisterin.

Dabei erinnert sie unter anderem an die Studenteninitiative Behinderter, die gemeinnützige Integrationsbegleitung Access GmbH, das Forum "Behinderte Menschen in Erlangen" sowie das Zentrum für Selbstbestimmtes Leben Behinderter (ZSL). Vor allem das ZSL ist auf Grund seiner Arbeit und Politik weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt. Da liegt es dann nahe, dass (neben dem städtischen Büro für Chancengleichheit und Vielfalt) mit Ingeborg Ehrlich-Schweizer eine Mitarbeiterin der Beratungsstelle in der Luitpoldstraße die Koordination des Modell-Projektes übernimmt.

Wobei: Von einem Projekt möchte Sozialbürgermeisterin Preuß lieber nicht reden. "Mit dem Ende der Aktion-Mensch-Initiative soll bei uns das Thema Inklusion nicht vorbei sein", sagt sie, "wir wollen kein Strohfeuer". Ganz im Gegenteil: Die Veränderungen sollen eine langfristige und vor allem nachhaltige Entwicklung einleiten, hofft die Bürgermeisterin.

Zunächst aber gehen ZSL, Stadt und verschiedene Kooperationspartner der Frage nach, wo es in Erlangen noch Nachholbedarf gibt und wie sich Verbesserungen erreichen lassen. Für diese Pläne, die erneut bei der Aktion Mensch eingereicht werden, gibt es schließlich die Fördergelder. Die Umsetzung geht dann 2018 los. Zudem wird das Institut für Sonderpädagogik der Goethe-Universität Frankfurt den gesamten Prozess wissenschaftlich untermauern.

Workshop im Rathaus

Auf alle Beteiligten kommt also viel Arbeit zu. Einen Vorgeschmack darauf gab es am vergangenen Donnerstag: Bei einem Workshop im Erlanger Rathaus stellten sich die Akteure möglichen Mitstreitern vor.

Da (inklusive) Stadtentwicklung aber alle angeht, sollen sich auch Vereine, Wohlfahrtsverbände, Universität, Uniklinik, Kirchen sowie Industrie- und Handelskammer und Unternehmen der freien Wirtschaft an dem Prozess beteiligen.

Gerade Letztere, also Wirtschaftsvertreter, werden in Zukunft besonders gefordert sein. Denn neben dem weiteren Abbau von Barrieren (etwa bei Freizeitangeboten oder Arztpraxen), dürfte eine bessere Integration von Menschen mit Handicap in den Arbeitsmarkt mit der wichtigste Schritt auf dem Weg hin zu einer behindertengerechteren Stadt sein.

Eine höhere Vermittlungsquote, sagt die Bürgermeisterin, sei in Zeiten des Fachkräftemangels schon allein aus wirtschaftlicher Notwendigkeit ein Muss: "Keine Firma kann es sich bei der Personalsuche heute noch leisten, jemanden nicht zu nehmen, nur weil dieser woanders herkommt, behindert ist oder muslimischen Glaubens".

Ein Selbstversuch in Begleitung einer Betroffenen ermöglicht Einblick in eine andere Lebenssituation. Die Erlanger Nachrichten haben es ausprobiert.

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