Beim Thema Impfpass blicken Fürther Ärzte in ratlose Mienen

3.3.2015, 06:00 Uhr
Vor Urlaubsantritt sollte man sich um ausreichenden Impfschutz kümmern.

© Andre De Geare Vor Urlaubsantritt sollte man sich um ausreichenden Impfschutz kümmern.

Wenn der Fürther Allgemeinarzt Dr. Franz Jobst Patienten auf ihr Impfbuch anspricht, blickt er schon mal in ratlose Mienen. Impfbuch? Irgendwo tief drinnen im Hinterkopf dämmert dann dem einen oder anderen: Da war doch was...

2012 hat die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung ihre Kampagne „Deutschland sucht den Impfpass“ gestartet. Sie ist aktueller denn je. Theoretisch müsste jeder Mensch, der Schutzimpfungen gegen schwerwiegende und potenziell tödliche Erkrankungen erhalten hat, das kleine gelbe Heftchen der Weltgesundheitsorganisation besitzen. Die Frage ist: Wo steckt das Ding? Erwachsenen, die dieser Tage erfolglos Schubladen durchstöbern und von ihren Müttern vage Sätze hören wie „Die Masern hatte einer von euch ganz sicher, aber ob du das damals warst oder dein Bruder. . .“, rät Jobst ganz klar: Impfen.

Drei Fälle von Masern hat der Mediziner im Lauf seines Berufslebens behandelt. „Es gab gottseidank keine Komplikationen“, sagt er, „aber die Menschen waren wirklich schwerkrank. Ich finde es deshalb völlig irre, wenn Leute meinen, die Masern sind eine Kinderkrankheit, die muss man durchgemacht haben.“

Die Ständige Impfkommission (STIKO) am Robert-Koch-Institut unterscheidet bei ihren Empfehlungen in Sachen Masern zwischen Personen, die vor und nach 1970 geboren wurden, als die Impfungen eingeführt wurden. Die Älteren haben die Krankheit mit hoher Wahrscheinlichkeit als Kinder durchgemacht. Ihre Gruppe gilt als „durchseucht“, sagt Jobst.

Die STIKO rät daher vor allem den Jüngeren zur Impfung, den Älteren hingegen nur dann, wenn sie Kontakt zu Erkrankten hatten und nicht wissen, ob sie geschützt sind. Angesichts des aktuellen Masern-Ausbruchs würde Jobst zumindest immer für das Spritzen plädieren, wenn sich jemand unsicher fühlt. Denn: „Es gibt keine Überimpfung.“ Das Blut zuvor auf Antikörper untersuchen zu lassen, helfe nicht unbedingt weiter. Die Ergebnisse dieser sogenannten Titer-Kontrolle seien „oft zu vage“.

Anders als bei Tetanus (Wundstarrkrampf) oder Diphterie, erklärt der Fürther Kinder- und Jugendarzt Dr. Michael Veh-Hölzlein, gibt es bei Masern keine Auffrischungsimpfungen. Dass die STIKO hier zweimaliges Impfen empfiehlt, liegt am so genannten Lebendimpfstoff. Der reagiert „auf Temperaturschwankungen sehr empfindlich“. Mit dem zweiten Pieks geht man demnach auf Nummer sicher. So erhöht sich der Schutz auf „annähernd 100 Prozent“.

Dringender Bedarf

In Veh-Hölzleins Praxis haben diese Woche „relativ viele“ Eltern ihren Kindern den klassischen MMR-Kombi-Stoff gegen Masern, Mumps und Röteln verabreichen lassen. Eine Familie mit vier Kindern, erzählt der Mediziner, hatte bei dreien der Sprösslinge den zweiten Impftermin einfach verbummelt und jetzt, aufgeschreckt durch die Nachrichten, dringenden Handlungsbedarf gesehen. Dabei stellte sich heraus, dass dem vierten Kind die Tetanus-Auffrischung fehlte, die nach der Grundimmunisierung im Grundschul- sowie im Teenageralter und dann — was viele Erwachsene schon mal vergessen — alle zehn Jahre fällig ist.

Impfungen, betont Veh-Hölzlein, seien prinzipiell nachholbar, wenn sie versäumt wurden. Doch solle das „möglichst zeitnah“ geschehen. Nicht nur bei Tetanus und Diphterie seien Auffrischungen relevant, sondern auch beim Zeckenschutz — „schließlich ist unsere Region Risikogebiet“ — und in speziellen Fällen auch bei Keuchhusten.

Letzterer komme bei uns häufig vor und werde meist von Erwachsenen übertragen, bei denen die Krankheit in abgeschwächter Form auftrete. Fatal: Bei Säuglingen, die sich anstecken, kann Keuchhusten Erstickungsanfälle auslösen. Veh-Hölzlein rät, wie auch die STIKO, Erwachsenen zur Keuchhusten-Impfung, http://www.kinderaerzte-im-netz.dewenn sie Kontakt mit Babys haben.

Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte bietet im Übrigen unter www.kinderaerzte-im-netz.de eine kostenlose Erinnerung an alle Impf- und Vorsorgetermine bis ins Jugendalter per E-Mail an.

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