Flüchtlinge in Fürth: Der Arzt kommt jetzt früher

4.5.2015, 06:00 Uhr
Baustellenzäune und Plastikplanen grenzen im ehemaligen Möbelhaus die Bereiche ab.

© Hans-Joachim Winckler Baustellenzäune und Plastikplanen grenzen im ehemaligen Möbelhaus die Bereiche ab.

Die Betten sind nach wie vor durch Bauzäune voneinander getrennt, die man mit Plastikplanen verhängt hat. Abgeschlossene Zimmer gibt es nicht. Wer hierher kommt, darf nicht darauf hoffen, dass er in dem großen Industriegebäude, in dem früher Wohnzimmer, Küchen oder Garderoben verkauft wurden, ein behagliches Ambiente vorfindet.

Doch er trifft hier auf Sicherheit, regelmäßige Mahlzeiten und neuerdings auch auf bessere ärztliche Versorgung. Von Montag bis Freitag bieten jetzt niedergelassene Allgemeinmediziner aus der Kleeblattstadt im Wechsel Sprechstunden an, ein Kinderarzt kümmert sich einmal in der Woche um die kleinen Patienten. Ein wichtiger Fortschritt, denn unter den 250 Asylbewerbern, die derzeit im großen Gebäude mit den nackten Betonwänden auf den Fortgang ihres Verfahrens warten, sind viele Familien mit Kindern.

An Weihnachten lebten hier kurzzeitig schon einmal 800 Menschen auf der Etage, und als unter Buben und Mädchen Erkältung, Ohrentzündung und Husten grassierte, mussten sich die Eltern erst einen Krankenschein in der Verwaltung besorgen und sich dann mit ihren fiebernden Schützlingen auf eine Odyssee zu Arztpraxen in fremder Umgebung machen. Nicht immer war ein Dolmetscher dabei, der erklären konnte, was los ist.

„Auf Dauer ist das keine Lösung“, befand Fürths Sozialreferentin Elisabeth Reichert (SPD). Der „Wirbel“, denn sie dann veranstaltet hat, wie sie selbst gerne sagt, um „medizinische und soziale Standards“ zu erreichen, hat sich rentiert. Die Regierung von Mittelfranken übernimmt immerhin seit heuer die Personalkosten für die fünf Sozialpädagogen der Caritas, die sich abwechselnd in Teilzeit um die Flüchtlinge kümmern.

Zudem wurde die medizinische Betreuung verbessert, mehr Ärzte als zu Beginn der Aufnahme im September 2014 sind im Haus — eine Folge der neuen Vorgaben aus dem Ministerium von Emilia Müller.

Denn der Freistaat lässt in allen Aufnahmeeinrichtungen und ihren Dependancen und Notunterkünften (die Unterkunft im früheren Möbelgebäude wird als Außenstelle der Zentralen Erstaufnahmeeinrichtung von Zirndorf geführt) kleine Ärztezentren einrichten. Neben Allgemeinmedizinern sollen dort auch Kinderärzte, psychiatrisch geschulte Fachleute und Gynäkologen ihre Hilfe anbieten.

Weniger Fahrten ins Klinikum

Ein Frauenarzt oder eine Frauenärztin fehlen aber noch im medizinischen Team, das regelmäßig in der Seeackerstraße vorbeischaut. Immerhin ist nach Auskunft von Sozialpädagogin Karuna Diehl wöchentlich eine Hebamme zugegen, die den Schwangeren und jungen Müttern zur Seite steht.

Flüchtlinge können aber auch weiterhin in speziellen Fällen niedergelassene Ärzte aufsuchen, zum Beispiel wenn sie einen Kardiologen benötigen oder eine andere schwere Erkrankung haben, die von anderen Experten behandelt werden muss. Treten nachts oder an Wochenenden Probleme auf, muss nach wie vor der Notdienst oder ein Krankenwagen gerufen werden.

Jedoch zeigt die verstärkte Präsenz der Ärzte schon jetzt nach Auskunft aller Beteiligten Wirkung: Viele Fahrten ins Klinikum entfallen, weil die Fachleute weniger dramatische Krankengeschichten gleich an Ort und Stelle behandeln. Kosten werden gespart.

Karuna Diehl weist aber auch darauf hin, dass es Hochschwangere und alte Menschen in der Unterkunft im früheren Möbel-Höffner-Gebäude schwer haben. Lange Wege zu den Toiletten und Bädern — einige sind in Containern in einer Nebenhalle zu finden — sind für sie ebenso ein Problem wie die fehlende Privatsphäre. Auch nachts hört man alle Geräusche und Stimmen der anderen Bewohner, deshalb baten ältere Flüchtlinge bereits darum, sie anderswo unterzubringen.

Zur Freude von Sozialpädagogin Diehl wie auch von Sozialreferentin Reichert zeigen sich die Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes „sehr menschlich“. Sie hätten ein Herz für die Frauen, Männer und Kinder in Not. So hat ein Beschäftigter nach einem Aufruf über Facebook einen Rollstuhl für Kinder organisiert, nachdem er gesehen hat, dass Eltern ihre Tochter stets herumtragen mussten, weil die Kleine an der Glasknochen-Krankheit leidet. Ein andermal kümmerten sich die Security-Mitarbeiter um drei Kinder in der Zeit, als deren Mutter ins Krankenhaus musste. Sie hätten mit den Kleinen gespielt und sie herzlich umsorgt, berichtet Karuna Diehl.

Jetzt suchen die Sozialpädagogen noch nach Ehrenamtlichen, die eine regelmäßige Kinderbetreuung übernehmen können. Und auch Freiwillige, die Deutschkenntnisse vermitteln wollen, werden dringend gebraucht.

Hinweise nehmen Karuna Diehls Kolleginnen Andrea Kammerer und Katja Falk unter ihren Mail-Adressen kammerer.caritas@gmail.com und falk.caritas@gmail.com entgegen.

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