Fürther wünschen sich konkrete Ziele statt Phrasen

25.8.2017, 21:00 Uhr
Wahlplakate, wo man hinsieht: Knapp einen Monat vor der Bundestagswahl nutzen die Parteien jede Gelegenheit für Eigenwerbung.

© Giulia Iannicelli Wahlplakate, wo man hinsieht: Knapp einen Monat vor der Bundestagswahl nutzen die Parteien jede Gelegenheit für Eigenwerbung.

Kann es sein, dass früher mehr Wahlkampf war? Zumindest in Sachen Plakatwerbung ist die Verbreitung der entsprechenden Konterfeis bis jetzt relativ zurückhaltend. Oder scheint es nur so, als ob von jedem zweiten Aushang kein Politgesicht, sondern die Fürther Version von Charleys Tante lächelt?

Fürther wünschen sich konkrete Ziele statt Phrasen

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Dem kann Melanie Roth nicht ganz zustimmen: "Hier in der Schwabacher Straße ist tatsächlich wenig zu sehen, aber von meinem Küchenfenster aus kann ich direkt auf alle möglichen Wahlplakate schauen." Die 24-Jährige wird zum zweiten Mal bei einer Bundestagswahl ihre Stimme abgeben. Nicht zu wählen kommt ihr nicht in den Sinn: "Das ist doch selbstverständlich, dass man dieses Recht wahrnimmt."

Melanie Roth, Mutter einer Tochter, fühlt sich "gut informiert"; sie schaut sich zum Beispiel auch interessiert und kritisch an, was an entsprechender Werbung in ihrem Briefkasten landet. Schon jetzt weiß sie genau, wen sie wählen wird und wo: "Wir müssen dafür in die Pesta gehen." Die Schule – und damit das Wahllokal – liegt allerdings in der Nähe des Stadions, wo am 24. September das Derby zwischen der Spielvereinigung und dem Club ausgetragen wird – ein sogenanntes Hochrisikospiel.

"Wir sind vom Wahlamt mit einem Schreiben darüber informiert worden, dass es zu gewissen Einschränkungen beim Zugang zur Pesta kommen kann." Sorgen macht sich Melanie Roth deshalb keine. "Wir gehen früh am Morgen wählen, das sollte gut klappen. Und später sind wir dann beim Spiel im Stadion."

Fürther wünschen sich konkrete Ziele statt Phrasen

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Wolfgang Ruhl klingt verärgert: "Ich habe an der Wahl ein Stück weit das Interesse verloren, weil ich immer mehr das Gefühl habe, dass es fast egal ist, wofür man sich entscheidet." Der 57-Jährige befürchtet, dass "vorher viel versprochen und hinterher alles anders gemacht wird".

Trotzdem wird er an die Wahlurne gehen. Was er ankreuzt? Seine Entscheidung ist noch nicht gefällt: "In der Woche davor werde ich mir intensiv die diversen Diskussionen anschauen und mir eine abschließende Meinung bilden." Ehefrau Julia Ruhl (53) findet, der Wahlkampf werde derzeit insgesamt "noch sehr leise" geführt: "Es gibt eine Fülle von anderen Themen, die dieses eine überschatten." Sie überlegt: "Ich frage mich manchmal, ob die Politik diese Ablenkungen von der Wahl nicht sogar bewusst nutzt."

Wahlprogramme studieren

Fürther wünschen sich konkrete Ziele statt Phrasen

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Richard Selzer, Klinikseelsorger in Fürth, hat sich etwas vorgenommen: "Ich will vor dem Wahltag die Programme von CDU/CSU, SPD, Grünen, FDP und ÖPD genau studieren, um mir ein fundiertes Meinungsbild zu machen." Die übrigen Anwärter sind für den 57-Jährigen kein Thema: "Obwohl ich ja eigentlich auch dort nachlesen müsste, um präzise Argumente zu formulieren, warum ich die ablehne."

Besonders intensiv, sagt Gisela Selzer, habe sie sich bereits mit dem Programm der ÖDP auseinandergesetzt. In diesem ökologisch-demokratischen Konzept habe sie gute Ansätze gefunden, andererseits ist ihr freilich bewusst, dass es "kaum Chancen gibt, dass kleinere Parteien nach der Wahl viel Einfluss nehmen können". Und zwar ganz schlicht, weil vermutlich nicht genügend Stimmen zusammenkommen, um einer nennenswerten Gruppe von Abgeordneten den Einzug in den Bundestag zu ermöglichen. Die 54-jährige Erzieherin fragt sich: "Muss ich unter diesem Gesichtspunkt vielleicht Angst haben, dass meine Stimme dann mehr oder weniger verloren ginge?"

Fürther wünschen sich konkrete Ziele statt Phrasen

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Zum ersten Mal wird Elsa Lila (19) ihr Wahlrecht ausüben können. "Damit habe ich schon das Gefühl, endlich etwas zu sagen zu haben", erklärt die junge Frau, die vor kurzem ihr Abi gemacht hat. Aber: "Ich habe den Eindruck gewonnen, dass die Parteien mir nicht wirklich anbieten, was ich suche."

Was sie stört, ist nicht zuletzt, dass so viele Phrasen bemüht werden: "Es weiß doch zum Beispiel jeder, dass ,soziale Gerechtigkeit‘ wichtig ist. Warum wird aber so selten gesagt, mit welchen Schritten solche Ziele erreicht werden sollen?" Ein Argument, das Isabelle Schwarz (24) unterstützt: "Jede Partei verspricht doch eigentlich alles, was wir hören wollen. Deshalb ist es als Wähler wirklich nicht leicht, den Überblick zu behalten und abzuwägen, was die Chance hat, umgesetzt zu werden."

In ihrem Freundeskreis hat sie festgestellt, dass Politik zunehmend zum Gesprächsthema wird. Um nicht nur vor Wahlen, sondern immer auf dem Laufenden zu bleiben, schaut die Studentin jeden Abend die Nachrichten: "Wenn möglich, gehört das für mich dazu. Diese Viertelstunde sollte man sich wirklich nehmen."

Wir haben für Sie auf www.nordbayern.de/wahlen ein umfangreiches Angebot zum Thema zusammengestellt. Wir informieren Sie auf unserer extra für die Bundestagswahl eingerichteten Seite über alles Wissenswerte zum Thema Bundestagswahl 2017. Weiter finden Sie für die Wahlkreise in Franken und der Oberpfalz ausführliche Portraits - zum Teil mit Vorstellungsvideo - der Direktkandidaten, deren Parteien eine Chance haben, in den Bundestag einzuziehen. Natürlich informieren wir Sie auch tagesaktuell über alle Themen rund um die anstehende Wahl - sei es auf regionaler oder überregionaler Ebene.

Am Wahltag selber finden Sie auf www.nordbayern.de einen Live-Blog, in dem wir Sie über alle aktuellen Entwicklungen auf dem Laufenden halten. Wir werden Sie sofort über die Wahlergebnisse der Erst- und Zweitstimme informieren. Wir bieten außerdem eine Karte, auf der wir die Ergebnisse der einzelnen Wahlkreise genau visualisieren.

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