Messerattacke am U-Bahnhof: Angeklagter fühlte sich als Opfer

6.10.2015, 17:03 Uhr
Am Tatort legten Freunde und Familienmitglieder nach der Tat zahlreiche Kränze nieder. Jetzt muss sich ein Trio vor Gericht verantworten.

© Hans-Joachim Winckler Am Tatort legten Freunde und Familienmitglieder nach der Tat zahlreiche Kränze nieder. Jetzt muss sich ein Trio vor Gericht verantworten.

Die drei jungen Männer müssen sich wegen Totschlags und gefährlicher Körperverletzung vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth verantworten. Dem 20-jährigen Hauptangeklagten droht eine lange Gefängnisstrafe. Die 17 und 18 Jahre alten Angeklagten dürften glimpflicher davonkommen, weil sie nicht zugestochen haben sollen.

Zum Prozessauftakt behauptete der Hauptangeklagte, dass er sich mit den Messerstichen nur gegen Faustschläge seines späteren Opfers verteidigt habe. Er habe große Angst gehabt. Das Einhandmesser, mit dem der 20-Jährige Sascha L. erstochen haben soll, lag auf dem Richtertisch, die Spitze fehlte - sie blieb im Schädel des Getöteten stecken.

Die Messerklinge war etwa sieben Zentimeter lang

"Mir ist wichtig, dass ich zuerst geschlagen wurde", sagte der Angeklagte zum Start des Prozesses am Dienstag vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth. „Ich habe mich gewehrt. Aus Angst habe ich wild um mich gestochen. Ich habe mich eher als Opfer gefühlt.“ An das Messer in seiner Hosentasche habe er sich während der Auseinandersetzung mit dem damals 28-jährigen Sascha L. "plötzlich erinnert".

Dem jungen Mann drohen wegen Totschlags nach Jugendstrafrecht bis zu zehn Jahre Haft. Sollte das Erwachsenenstrafrecht angewandt werden, kann die Strafe höher ausfallen. Seinem 18 Jahre alten Bruder sowie einem 17-Jährigen wird schwere Körperverletzung vorgeworfen.  Die Jugendlichen waren Anfang Februar nach einer Party betrunken an einer Fürther U-Bahnstation unterwegs. Dem Hauptangeklagten zufolge ist sein kleiner Bruder betrunken auf die Freundin des späteren Opfers gestolpert. Daraufhin sei er von dem Mann mit Schlägen und Ausdrücken provoziert worden. Bisher sind fünf Prozesstage angesetzt. Am 23. Oktober wird das Gericht das Urteil fällen.

Gewalt in U-Bahnen keine Seltenheit

Die Obduktion hatte ergeben, dass Sascha L. mit mehreren Stichen einer Messerklinge von rund sieben Zentimetern getötet wurde. Das Messer wurde am Tatort gefunden. Nachdem ein Augenzeuge die Polizei gerufen hatte, konnten Beamte die Tatverdächtigen wenig später festnehmen. In einer bewegenden Trauerzeremonie hatten Freunde und Familie wenige Tage später Abschied von dem Opfer genommen.

Immer wieder kommt es im öffentlichen Nahverkehr zu Gewalt. Vor Weihnachten 2007 hatten zwei junge Männer einen Rentner in der Münchner U-Bahn fast zu Tode geprügelt, weil er sie auf das Rauchverbot hingewiesen hatte. Im Herbst 2009 erreichte die Gewalt mit dem Tod von Dominik Brunner an einer Münchner S-Bahn-Haltestelle eine neue Dimension. Der Geschäftsmann war von Jugendlichen niedergeschlagen worden, weil er vier Schüler vor den Schlägern hatte schützen wollen. Brunner starb an Herzversagen.

Weil er im Sommer 2014 einen Feuerlöscher auf die Frontscheibe einer U-Bahn warf, verurteilte das Landgericht Nürnberg-Fürth zuletzt einen 24-Jährigen wegen versuchten Mordes zu mehr als sieben Jahren Haft.