In Franken sind Beerdigungen Privatsache

31.10.2014, 13:25 Uhr
In Franken sind Beerdigungen Privatsache

© Achivfoto: Meyer

Für Philipp B. stand es außer Frage: seine Schwiegermutter, in Köln geboren, aber in München gestorben, sollte ins Familiengrab, in dem bisher nur sein Vater ruht. „In Köln hatte sie niemanden mehr“, sagt er. Warum also nicht München?

Eine gute Frage. Und eine, die Günther Gebhardt in Nürnberg kaum nachvollziehen kann. Gebhardt ist Herr über die städtischen Friedhöfe. Doch vorschreiben will er den Angehörigen nicht, wer in ihr Grab darf. „Das entscheiden sie selbst“, sagt er. „Wir schauen zwar, dass die Neuzugänge zumindest in Nürnberg gewohnt haben. Aber“, fügt er hinzu, „wir sind da nicht päpstlicher als der Papst“.

Freiheit bei der Bestattung

Der Wandel hat die Friedhöfe voll erfasst. Seit immer weniger Paare heiraten und ohne Trauschein zusammenleben, stellen sich den Verantwortlichen neue Fragen. Wer darf in ein Grab, vor allem, wer entscheidet darüber? Das, sagt Gebhardts Erlanger Kollege, sei simpel: „Der Grabberechtigte ist dafür verantwortlich.“ Er allein bestimmt, und Grenzen sind ihm keine gesetzt, ganz egal, ob es sich nun um Angehörige handelt, um Freunde oder Nachbarn.

So handhaben sie es überall in Franken, ob in Fürth, Schwabach, Ansbach oder Weißenburg. Die Kommunen halten sich raus aus dem, was die Betroffenen selbst regeln können. „Wir sind unkompliziert“, sagt Ralf Meyer, Standesamtsleiter in Fürth. Bei den Bürgern kommt das an. „Bei uns war das jedenfalls nie ein Diskussionspunkt“, bestätigt Jürgen Ramspeck für Schwabach.

Es ist einer der intimsten Momente für Menschen, wenn sie Angehörige oder Freunde verlieren und nach Wegen suchen, wie sie ihre Trauer, ihren Schmerz, verarbeiten können. Das Begräbnis gehört dazu, in allen Kulturen. Nur das Wie unterscheidet sich. Juden und Muslime etwa wachen die Nacht durch neben den Toten und waschen sie vor der Beerdigung.

„Früher mussten sie das in der Pathologie erledigen“, sagt Georg Schmeißer. Heute haben etliche Stadtverwaltungen eigene Hallen für Juden und Muslime errichtet, in denen sie dem Ritus ihrer Religion folgen können. Nur in einem Punkt ist Bayern unerbittlich – und bald allein: Der Freistaat beharrt darauf, dass die Toten in einem Sarg bestattet werden, auch wenn der muslimische Ritus eigentlich nur ein Tuch verlangt.

Dies, heißt es im Gesundheitsministerium lapidar, „entspricht der herkömmlichen Sitte und christlichen Tradition“. Änderungsbedarf bestehe nicht. 13 der 16 deutschen Bundesländer sehen das anders und überlassen den Muslimen die Wahl.

Die sind toleranter als der Freistaat selbst. Keiner der Friedhofsverwalter weiß von Problemen mit der Sargpflicht, zumal alle Städte muslimische Gräberfelder eingerichtet haben, die sämtlich nach Mekka ausgerichtet sind. Nürnberg bietet an, dass wenigstens der Sarg offen bleibt. Die Moslems hätten die Regeln akzeptiert, heißt es übereinstimmend, auch wenn sich viele vorstellen können, dass der Sargzwang irgendwann kippt.

Wachsendes Problem

Doch das Problem könnte an Wucht gewinnen. Die Generation der in Deutschland geborenen Moslems will nicht mehr in der Heimat ihrer Eltern beerdigt werden, sondern hier, in ihren Heimatstädten. Längst reichen die Gräberfelder nicht mehr aus, müssen die Städte nachrüsten.

Wobei an Grabfeldern kaum noch ein Mangel herrscht. Das klassische Erdgrab ist passé; der Trend geht vom Boden- zum Urnen- und zum Baumgrab. Die Zeiten sind vorbei, da Angehörige die Gräber pflegen können oder wollen. Meist sind die Kinder über die halbe Welt verstreut, ist keiner mehr vor Ort, der sich kümmern kann. Ein Baumgrab braucht keine Pflege, sie ist sogar explizit verboten. Bei Philipp war das ähnlich. Seine Frau ist die einzige Tochter ihrer Mutter; sie lebt mit ihm in München. In das Familiengrab der B.s durfte ihre Mutter dennoch erst, nachdem Philipp die Grabstelle übernommen hat.

Rückständiges München also? Nicht ganz. Der Sachbearbeiter war nur nicht auf dem Laufenden und hatte nicht überrissen, dass die Landeshauptstadt vor vier Jahren dem allgemeinen Trend gefolgt ist. Philipp B. hat das 127 Euro gekostet. Doch die waren es ihm wert, dass seine Schwiegermutter jetzt in der Nähe ruht.

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