Münchberg: Ein Jahr nach dem Busunglück auf der A9

27.6.2018, 14:18 Uhr
Welche Antworten gibt es ein Jahr nach dem Busunglück auf der A9 bei Münchberg? Noch immer wird über die Sicherheit in Reisebussen diskutiert.

© Bodo Schackow, dpa Welche Antworten gibt es ein Jahr nach dem Busunglück auf der A9 bei Münchberg? Noch immer wird über die Sicherheit in Reisebussen diskutiert.

Die Ermittlungen gingen schnell. Gut vier Wochen nach dem tragischen Busunfall von Münchberg an der Autobahn 9 in Oberfranken waren sich Staatsanwaltschaft und Polizei sicher, warum 18 Menschen in einem Reisebus sterben mussten. Der Fahrer war am Morgen des 3. Juli 2017 unachtsam - warum auch immer. Er sah zu spät, dass ein Sattelzug vor ihm wegen einer Baustelle abgebremst hatte. Ein System, das automatisch eine Notbremsung einleitet, musste der Bus noch nicht haben - das ist erst für neuere Modelle Pflicht.

In dem Unglücksbus waren Batterie samt Elektrik, Drucklufttank sowie Zusatztank weit vorne und nahe beisammen verbaut. Eine gängige, völlig legale Bauweise. Die am Tag des Unfalls aber binnen Sekunden eine verheerende Kettenreaktion auslöste. Es kam zu Kurzschlüssen bei Batterie und Elektrik. Ein Kraftstofftank wurde zusammengestaucht und platzte. Der Kraftstoff entzündete sich, befeuert von austretender Druckluft.

"Natürlich ist das in dieser Konstellation eine sehr tragische Verkettung gewesen", sagt Siegfried Brockmann, Leiter der Unfallforschung des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft. "Aber die dabei erkennbaren Defizite müssen gleichwohl behoben werden. Es kann einfach nicht sein, dass ein Aufprall mit einer Geschwindigkeit von 30 km/h zu solchen Folgen führt. Wenn ein Tank, wie in diesem Fall, vor der Vorderachse eingebaut wird, muss entweder der Tank selbst crashsicher sein oder es muss ein kraftableitende Crashstruktur des Busvorderbaus konstruiert werden." Dazu brauche man aber verbindliche EU-Vorgaben. "Ich erkenne aber nicht, dass sich jemand darum kümmert."

Kein alltäglicher Einsatz

Am Ende blieb von dem Reisebus, der die Gruppe von Sachsen an den Gardasee fahren sollte, nur noch ein Gerippe. Ein gruseliges Bild, das sich auch bei den Rettungskräften eingebrannt hat. "Das war ein Einsatz, den man sein ganzes Leben nicht vergisst", sagt Andreas Hentschel von der Feuerwehr Münchberg. Schon als er und seine Kollegen nach der Alarmierung auf die Autobahn fuhren und eine dichte schwarze Rauchwolke sahen, war klar: Das würde kein alltäglicher Einsatz. Mit geschulten Kräften und auch in zwei Gottesdiensten konnten die Rettungskräfte das Geschehen aufarbeiten. Geholfen habe auch der Zuspruch aus der Bevölkerung für die geleistete Arbeit, sagt Hentschel.

Das Reisebüro Reimann in Löbau, in dessen Auftrag der mit Gästen aus Ostsachsen besetzte Unglücksbus unterwegs war, gibt es noch in der Fußgängerzone. Der Familienbetrieb kämpft nach wie vor mit den Folgen der Katastrophe. Im Portfolio finden sich nur noch Busfahrten in die nähere und angrenzende Regionen bis maximal Potsdam, Prag (Tschechien) oder Breslau (Polen). Die Eigentümer äußern sich nicht zum Jahrestag. "Wir wollen in Ruhe gelassen werden", sagt die Frau des Seniorchefs. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur sitzt auch der damalige Beifahrer und Juniorchef wieder hinter dem Steuer - und ist nach wie vor in psychologischer Behandlung.

Debatte um die Sicherheit

Sogleich nach dem verheerenden Brand begann eine Debatte um die Sicherheit in Reisebussen - obwohl dieses Verkehrsmittel laut Statistiken als sehr sicher gilt. Der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer (bdo) beklagt: Auch zahlreiche Spekulationen und falsche Beschreibungen hätten den Weg in die Öffentlichkeit gefunden.

Im September lud der Verband deshalb zu einer Expertenrunde in Sachen Sicherheit in Omnibussen - mit Fahrzeugherstellern, Versicherern, technischen Experten, Unternehmern, Rettungskräften, Prüforganisatoren und Ministeriumsvertretern.

"Hierbei zeigte sich, dass seit 2008 auf deutsche Initiative hin in mitunter langwierigen Verhandlungen zahlreiche Verbesserungen bei den international gültigen Standards erreicht werden konnten", sagt bdo-Sprecher Christian Wahl. "Viele von diesen Neuerungen – etwa in Hinblick auf den Einsatz von Rauch- und Brandmeldern – haben bereits Gültigkeit." Weitere Schritte würden in den kommenden Jahren greifen.

Als problematisch sahen vielen Experten auch die Innenausstattung von Bussen - viel zu leicht brennbar sei das Material, im Gegensatz zum Beispiel zur Bahn. Man habe entsprechende Versuche durchgeführt, sagt Unfallforscher Brockmann. Eine Evakuierung durch die hintere Bustür würde drei Minuten dauern - ohne dass gehbehinderte Menschen dabei waren. Nach Einschätzung der Feuerwehr könnten aber bereits nach der Hälfte der Zeit so viele giftige Rauchgase im Bus sein, dass die Menschen sich nicht mehr selbst helfen könnten. "Würde man die Vorschriften für Bahnmaterialien auf den Bus übertragen, würde die Zeit auf jeden Fall ausreichen."

Nachrüsten nicht möglich

Der Unglücksbus von Münchberg musste noch über kein System verfügen, das bei einem Hindernis eine Notbremsung automatisch einleitet - erst neuere Busse müssen damit ausgestattet sein. Und nachrüsten lässt sich solch eine aufwendige Technik nicht. Trotzdem gab es eine Diskussion um die Bremsassistenten, denn oft kann sie der Fahrer manuell abschalten. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hat inzwischen angekündigt, dies für Deutschland ändern zu wollen. Ab einer Geschwindigkeit von 30 km/h soll der Assistent bei Bus oder Lkw nicht mehr abschaltbar sein.

Leicht nachrüstbar dagegen sind nach Einschätzung des Verbandes der TÜV-Organisationen (VdTÜV) Brandmeldeanlagen in Bussen. "Gerade für den Motorraum erscheinen solche Nachrüstungen sinnvoll", teilte der Verband mit. Feuer brächen hier oft nach Ölverlust "in Kombination mit hohen Temperaturen" aus.

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