Ende der Preisbindung: Neumarkts Apotheker befürchten das Schlimmste

21.10.2016, 08:58 Uhr
Ende der Preisbindung: Neumarkts Apotheker befürchten das Schlimmste

© Uli Deck/Archiv (dpa)

„Das ist absolut fatal, das ist der Todesstoß für die deutschen Apotheken“, sagte ein niedergelassener Mediziner im NN-Gespräch, der nicht namentlich zitiert werden wollte.Gemeint ist das jüngste Urteil des Europäischen Gerichtshofs, wonach die gebundenen Preise für Artikel aus Versandapotheken aus dem EU-Ausland in Deutschland nicht mehr gelten sollen.

Auch für Marianne Bauer von der St. Vitus-Apotheke in Berg ist klar: „Bis zu 40 Prozent der kleinen Apotheken werden schließen müssen.“ Die viel höheren Aufwendungen für Personal, Mieten und Steuern würden die deutschen Apotheken gegenüber den ausländischen zusätzlich belasten. Marianne Bauer gibt außerdem zu bedenken, dass es bei den freiverkäuflichen Arzneimitteln schon längst keine Preisbindung mehr gebe. „Viele Apotheken leben ja von den Rezepten“, gibt die Berger Apothekerin zu bedenken.

Eine Benachteiligung der inländischen Anbieter sieht auch Konstantin Dirr von der Löwen-Apotheke in Neumarkt. Für ihn gibt es keine Zweifel, dass die Umsätze mit rezeptpflichtigen Medikamenten aus dem Ausland ansteigen werden. Deren Anbieter werden sich nach Dirrs Meinung bestimmt attraktive Rabattmodelle einfallen lassen. „Zu meinen, dass kein deutscher Patient darauf anspringt, wäre naiv“, sagt der Apotheker. Schon in der Vergangenheit habe es Versuche gegeben, dass ausländische Online-Anbieter mit deutschen Apotheken zusammenarbeiten, die dann praktisch nur noch als Ausgabestellen fungieren. Seinerzeit sei dies verboten worden. Sollte es nun vor dem Hintergrund des aktuellen Urteils wieder solche Kooperationsversuche geben, dann würden auch diese nach Meinung von Konstantin Dirr nicht gesetzeskonform sein.

Gewaltige Einbußen

Ein ziemlich düsteres Bild malt auch Andreas Kühne von der Neumarkter Jura-Apotheke. Sollte das Urteil des Europäischen Gerichtshofes auch in deutsches Recht umgewandelt werden, dann sagt er „gewaltige Einbußen“ für die inländischen Apotheken voraus. Ein Konzentrationsprozess sei dann unvermeidlich. Viele Einzelapotheken würden in ihrer Existenz gefährdet. Und Andreas Kühne beschreibt die angeblich „illegalen“ Geschäftspraktiken, die ausländische Online-Anbieter schon bisher angewendet haben: So würden unzulässigerweise kostenlose Warenzugaben und Rabatte gewährt und Rezeptgebühren erlassen. Der Neumarkter Apotheker rechnet außerdem damit, dass sich die Versandapotheken „die Rosinen herauspicken“ und manche Medikamente nicht ausliefern werden.

Die bayerische Gesundheitsministerin Melanie Huml sieht die flächendeckende seriöse Versorgung mit Medikamenten in Gefahr. Per Pressemitteilung kündigte sie gestern eine Bundesratsinitiative an mit dem Ziel, den Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneien schlicht zu verbieten.

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