Angst vor dem Heim: Pflegemängel weiter auf hohem Niveau

30.6.2016, 17:31 Uhr
Die Mängelquote in Nürnberger Pflegeheimen ist anhaltend hoch. (Symbolbild)

© Jens Kalaene/Illustration (dpa) Die Mängelquote in Nürnberger Pflegeheimen ist anhaltend hoch. (Symbolbild)

Bei ihren 131 Kontrollbesuchen im Jahr 2015 verzeichnete die Heimaufsicht (FQA) des Nürnberger Gesundheitsamts 86-mal Mängel – also in zwei von drei Fällen. Der überwiegende Teil betraf die Altenpflege, ein kleiner Teil Behinderten-Einrichtungen. 26 Mängel galten als "erheblich", das heißt als potenziell gesundheitsgefährdend für die Bewohner.

Zu den erheblichen Mängeln zählen die städtischen Prüfer beispielsweise unzureichende Wund- oder Schmerzbehandlung. Nach Einschätzung der FQA kam 2015 sogar ein Pflegebedürftiger durch die unsachgemäße Umlagerung ins Bett ums Leben. Die Staatsanwaltschaft bestätigte den Verdacht allerdings nicht. Weitere Mängel bestanden laut Jahresbericht bei der Hygiene, der Körperpflege oder der Sturzprophylaxe.

Ärztliche Anordnungen würden "sehr häufig" missachtet, nicht immer werde den Senioren beim Essen geholfen. Auch sei die soziale Betreuung in zwei von neun getesteten Einrichtungen unzureichend gewesen.

Diese Qualitätsdefizite seien "bedenklich", sagte FQA-Leiterin Andrea Brouer am Donnerstag im Gesundheits- und Sozialausschuss des Stadtrats. Als Hauptgrund benennt das Gesundheitsamt den Mangel an gut ausgebildetem Altenpflegepersonal. Der Trend halte daher an. Im laufenden Jahr sei bisher erst ein einziges der kontrollierten Heime mängelfrei gewesen. Gleichzeitig könne die Heimaufsicht wegen Personalengpässen 2016 nur noch zwei Drittel der insgesamt 98 Einrichtungen im Stadtgebiet besuchen.

"Wir kennen die Kandidaten"

Forderungen von CSU- und SPD-Fraktion nach mehr Strenge und Strafen für auffällige Einrichtungen wies Brouer zurück. "Ich darf Ihnen versichern, dass wir nicht zu freundlich sind. Wir kennen die Kandidaten." Man müsse sehr genau abwägen, wo Druck helfe und wo Beratung mehr bewirke.

"Wenn ich diese Berichte lese, sehe ich keine Möglichkeit, den älteren Menschen die Angst vorm Heim zu nehmen", sagte Manfred Lang, Sprecher des Arbeitskreises Pflege im Stadtseniorenrat, im Ausschuss. Den Heimen fehlten die Mittel, um mehr Personal einzustellen. "Das ist eine politische Frage."

Der städtische Gesundheitsreferent Peter Pluschke verlangte eine differenzierte Betrachtung. Die gesetzlichen Anforderungen und gesellschaftlichen Erwartungen an Pflegeheime seien in den vergangen Jahren stetig gestiegen. "Die Träger sind überwiegend ernsthaft um Verbesserungen bemüht", sagte Pluschke. "Aber ihre Mittel reichen einfach nicht aus." Auch Bürgermeister Christian Vogel stimmte zu. "Es wird verdammt gute Arbeit in den Heimen geleistet. Wir dürfen die wenigen schwarzen Schafe nicht überbewerten."

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