Gibt es Bescheide bald nur noch vom Amts-Roboter?

19.2.2019, 05:56 Uhr
Die Künstliche Intelligenz (KI) ist auf dem Vormarsch. (Symbolbild)

Die Künstliche Intelligenz (KI) ist auf dem Vormarsch. (Symbolbild)

"Willkommen beim Chatbot Bonn! Ich bin ein Chatbot und antworte automatisch auf deine Anfragen. Da ich noch lerne, ist jede Anfrage für mich hilfreich. Sollte ich einmal keine Antworten finden, findest du Informationen und Dienstleistungen unter www.bonn.de."

Nette Begrüßung im Netz. Meine alte Uni-Stadt hat also einen Chat-Roboter "eingestellt". Er ist, wenn ich es so will, mein (virtueller) Ansprechpartner im Bonner Rathaus. Für erste Auskünfte. Ich frage ihn, ob ich im Rathaus heiraten kann. "Ich bin mir nicht sicher, was du suchst", antwortet mir der Bot. "Vielleicht helfen dir folgende Leistungen weiter", schreibt er mir und hängt ein paar Links an: Personalausweis Ausstellung neu wegen Namensänderung bei Heirat, Eheschließung, Eheschließung Vollzug, Eheschließung Anmeldung. Okay, nicht schlecht. Aber ist das schon Künstliche Intelligenz?

Jein. Der Bot ist ein digitaler Dialogassistent. Er lernt durch Fragen (künstlich, wenn man so will) dazu. Erste Kommunen setzen ihn schon ein, wie eben den "Botty Bonn" oder den "Kumpel Krefeld". Es ist ein Erstkontakt zu den Stadtverwaltungen. Nicht mehr und nicht weniger.

Auch Harald Riedel kann sich vorstellen, dass seine Mitarbeiter einmal einen Kollegen Bot oder eine Kollegin Botty bekommen. Etwa bei Bürgerdienststellen. Riedel ist Superreferent für Finanzen, Personal, IT und Infrastruktur bei der Stadt Nürnberg. Künstliche Intelligenz in der Nürnberger Stadtverwaltung? Ein "Zukunftsthema" ist das durchaus, betont er.

Man arbeitet gerade an einer Strategie für die "Digitale Stadtverwaltung". Aber es scheint so, als würden erst einmal andere IT-Themen die Verwaltung beschäftigen als der Einsatz von KI. Etwa die Modernisierung von Soft- und Hardware. Und das dürfte symptomatisch für fast alle Rathäuser in Deutschland sein.

Dort drücken ganz andere Probleme. KB statt KI: Kleine Brötchen statt Künstliche Intelligenz. In Nürnberg etwa ist man noch immer damit beschäftigt, das Papier in der Verwaltung abzuschaffen. "Aktuell versuchen wir, den nächsten Schritt zu machen — vom papierbasierten zum durchgängig elektronischen Arbeiten", erläutert der Referent. Bits und Bytes statt Behördenakten.

Das ist noch weit weg von KI. Die Experten seien derzeit damit befasst, die "organisatorischen und inhaltlichen Grundlagen zu schaffen, um in die Prüfung und den Einsatz von fortgeschrittener Prozessautomation (sogenannter Robotic Process Automation) einsteigen zu können." Um sich dann im nächsten Schritt eventuell KI-Systeme vorzunehmen. Für Bots, für Standardprozesse wie Buchführung und Rechnungswesen. Oder mittelfristig beispielsweise für eine automatisierte Echtheitsprüfung bei Dokumenten.

Dabei ist das klassische E-Government-Angebot der Stadt Nürnberg für die Bürger jetzt schon groß. Die Onlinedienste werden gut genutzt. Aber im Hintergrund läuft eben nichts automatisch ab im Sinne von selbstlernenden, voll automatisierten Systemen auf Basis von anfangs programmierten Algorithmen. Riedel macht keinen Hehl daraus: "Aktuell gibt es bei der Stadt Nürnberg keinen Einsatz von echter KI." Punkt. "Frühestens ab 2020" könnten Finanzen und Personal sowie Laborräume (real und virtuell) bereitgestellt werden für die Entwicklung von Robot-Systemen und KI.


Deep Learning, Cyborg und Blockchains: Glossar zu Künstlicher Intelligenz


Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) in Nürnberg ist da schon weiter, räumt Riedel ein. Bei dem "Digitalgipfel" der Bundesregierung im Dezember 2018 in Nürnberg mit Bundeskanzlerin Angela Merkel war das Bamf Gastgeber der Veranstaltung "Der Staat als Digitalisierungsplattform". Dort berichtete Vize-Präsident Markus Richter auch über den Einsatz von KI in der Bundesbehörde.

Die Verwendung Künstlicher Intelligenz steht laut Richter – auch vor dem Hintergrund der massiven Kritik an den langen Bearbeitungszeiten – weit oben auf der Agenda. So setze das Bundesamt bereits Robotsysteme ein, die bei Anfragen von Gerichten Aktenzeichen automatisch erkennen und die entsprechenden Unterlagen des Bamf heraussuchen und dann verschicken.

Bisher mussten jeweils Mitarbeiter die Dokumente kopieren und per Post verschicken. Jetzt werden die angeforderten Akten automatisiert über das elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach in wenigen Minuten digital an das Gericht gesendet. Und das, so Richter, der in der Bundesbehörde für IT und Infrastruktur zuständig ist, seien noch einfache Arbeiten des Robotsystems.


Kommentar: KI kann helfen, birgt aber auch viele Gefahren


Nicht immer sind die Aktenzeichen richtig, vollständig oder sie fehlen ganz. Anschreiben müssen unter Umständen interpretiert werden. Hier kommt im Bamf die KI ins Spiel und soll zunehmend die Robotsysteme ablösen. Sie erkennt die Defizite und den Sinngehalt der Schriftstücke dennoch und reagiert darauf.

Die Bundesbehörde arbeitet laut Richter mit KI auch in der Dialekterkennung bei Asylbewerbern. Das System ermögliche in zwei Minuten eine erste Zuordnung zur Herkunftsregion. In der "Digitalisierungstrategie 2020" des Bundesamts heißt es aber auch, dass die softwaregestützte Erkennung am Ende nicht die Beurteilung durch Mitarbeiter des Bundesamts ersetze.

Hier meldet sich auch Nürnbergs IT- und Personalreferent Harald Riedel wieder zu Wort. "Wir fühlen uns in der Stadtverwaltung dem Satz ,Digital first, but not only!‘ verpflichtet", betont der Sozialdemokrat. Man werde digitale Angebote und Prozesse vorantreiben. "Wir sind aber auch davon überzeugt, dass wir als bürgernahe Verwaltung daneben noch direkte, persönliche Angebote machen wollen." Dazu gehöre auch, dass "wir die volle Kontrolle über unsere Prozesse und Angebote haben wollen, allein schon aufgrund des Gebotes der Rechtssicherheit".

Der Einsatz von KI sei – Riedel beschreibt es nur, ohne es zu bewerten – schon durch die Datenschutzbestimmungen stark gehemmt. KI-Systeme benötigten große Datenmengen ("Big Data"). Doch sei es zum Beispiel aktuell gar nicht möglich, Daten aus dem Einwohneramt ohne Einverständnis der Betroffenen überhaupt in anderen Dienststellen zu nutzen. Der Einsatz von KI in Verwaltungen bedarf seiner Meinung nach also erst einmal gesetzlicher Änderungen, um Daten verwenden zu können.

Am Anfang des Weges

Riedels Fazit: "Wir sehen uns bei der Stadt ganz am Anfang des Weges von der ,Elektrifizierung‘ zur Digitalisierung und werden versuchen, unseren ,Digitalisierungsreifegrad‘ Stück für Stück zu verbessern. Aber eine sich selbstständig machende Künstliche Intelligenz ist kurzfristig eher nicht realistisch und wünschenswert."

Bei dem Chatbot in Bonn habe ich mich übrigens "ganz herzlich" für den Service bedankt! Seine Antwort: "Anerkennung der fachärztlichen Qualifikation Facharzt/Fachärztin für Herzchirurgie". Na denn . . .

Verwandte Themen


6 Kommentare