Kommentar: Alkoholverbot macht Nürnberg zur Provinzstadt

15.4.2014, 06:00 Uhr
Auf dem Klingenhofareal herrscht an den Wochenenden nachts Hochbetrieb. Schon bald soll hier in der Öffentlichkeit kein Alkohol mehr konsumiert werden dürfen.

© Harald Sippel Auf dem Klingenhofareal herrscht an den Wochenenden nachts Hochbetrieb. Schon bald soll hier in der Öffentlichkeit kein Alkohol mehr konsumiert werden dürfen.

Das Ordnungsamt will in Nürnberg den öffentlichen Konsum von Alkohol zwischen 22 und 6 Uhr in bestimmten Verbotszonen untersagen. Die Gründe, die der stellvertretende Leiter der Behörde, Robert Pollack, hierfür anführt, klingen plausibel. Es gehe vor allem darum, den Auswüchsen des Alkoholkonsums in der Öffentlichkeit entgegenzutreten und auf die Beschwerden besorgter Bürger zu reagieren, sagt Pollack.

Die Zahlen, die die Polizei nennt, sind erschreckend, aber undifferenziert. 72 Prozent der Gewalttaten im öffentlichen Raum werden in den diskutierten Bereichen Kohlenhof, Klingenhof und Altstadt unter Alkoholeinfluss begangen. Auf ganz Nürnberg bezogen liegt die Quote bei 60 Prozent. Die Polizei wünscht sich deshalb weitere Eingriffsmöglichkeiten und würde ein Alkoholverbot begrüßen, sagt die Pressesprecherin des Präsidiums in Mittelfranken, Elke Schönwald.

Begrüßenswert ist das Alkoholverbot definitiv nicht. Dass Polizei und Ordnungsamt betonen, mit Augenmaß handeln und niemandem sein Feierabendbier am Fuße der Burg verwehren zu wollen, macht die Sache nicht besser. Im Gegenteil. Wenn es ein Verbot gibt, dann muss auch dafür Sorge getragen werden, dass es konsequent umgesetzt wird. Dafür fehlen schlichtweg die Kapazitäten. Die Polizei stößt Samstagnacht personell schon jetzt regelmäßig an ihre Grenzen.

Nicht jeder, der in der Öffentlichkeit trinkt, ist ein potentieller Gewalttäter. Und längst nicht jeder, der sich nichtöffentlich betrinkt, hat eine Weiße Weste. Es gibt keine Zahlen dazu, wo alkoholisierte Gewalttäter den Alkohol zuvor konsumiert haben. Benehmen sich die Heranwachsenden daneben, kann die Polizei auch bisher schon einschreiten. Es braucht also kein zusätzliches Verbot.

Niemand kann ernsthaft glauben, dass die Jugend künftig abstinent zu Hause bleibt, nur weil an manchen öffentlichen Plätzen Alkoholverbot gilt. Ein Teil wird das Verbot einfach ignorieren. Und wer dafür zu anständig ist, wird bald eben nicht mehr auf dem Klingenhofareal vorglühen, sondern außerhalb der Verbotszone, etwa im angrenzenden Erlenstegen, die Nachbarschaft unsicher machen. Ganz legal. Den problematischen Trend zum Komasaufen stoppt ein Verbot nicht. Es erleichtert höchstens das Wegschauen.

Öffentlicher Alkoholkonsum ist ein großes Ärgernis, keine Frage. Das Problem darf nicht kleingeredet werden. Die Auswüchse sind jedoch nicht der richtige Ansatzpunkt. Sinnvoller dürfte es sein, direkt bei den Alkoholkonsumenten, also in dem Fall den Jugendlichen, anzusetzen - und nicht beim Konsum. Den Heranwachsenden Alternativen aufzeigen und Prävention betreiben, könnte die Exzesse nachhaltiger eindämmen als ein Verbot und Ausgrenzung. Hier wäre aber das Jugendamt gefragt, nicht das Ordnungsamt.

Jede Großstadt hat ihre Schattenseiten. Nürnberg zählt schon zu den sichersten Metropolen Deutschlands. Auf den Straßen herrscht vergleichsweise wenig Trubel. Daher hätte es die Anwältin für Verwaltungsrecht, Beate Grün, nicht trefflicher formulieren können: "Die Frage ist, ob wir Nürnberg zur Provinzstadt machen wollen?"

Verwandte Themen


10 Kommentare