"Nachtschwärmerei": Auf ein Bierchen im "Starclub"

12.5.2016, 05:59 Uhr

© Foto: Zech

Irgendwie verrucht, diese Kellerkneipe. Verraucht sowieso. Ende der 80er Jahre hat der damalige "Starclub" am Maxtorgraben, der seit kurzem "Cobra Club" heißt, seine Hochphase. Die Kneipe, in der bis zu 33 Biere ausgeschenkt wurden, ist tagsüber fest in den Händen der Schüler. Das Labenwolf-Gymnasium liegt gleich um die Ecke, und der "Starclub" öffnet bereits morgens um acht Uhr. Damals hat das Lokal schon über zehn Jahre auf dem Buckel.

"Der Starclub war eigentlich unser Übungsraum", erzählt Dieter Zech, der mit der Kneipe und vier Freunden Ende der 70er Jahre ein Gastronomie-Imperium aus der Taufe hob: Die GDR-Gastronomiebetriebs GmbH, der später das "Dröhnland" und die "Ruhestörung", das "Treibhaus", das Café in der "Tafelhalle", aber auch die "Wunderbar" auf Hawaii und natürlich „Das Boot“ gehört. Bis nach Bayreuth ins "Odeon" zieht sich die Spur der fünf.

"Dolores" heißt die Band, in der neben Dieter Zech am Schlagzeug noch Uli Sorge, Wolfgang Engl, Harald Schultheiß und Rainer Böhm spielen. Vorwiegend Rock, Hits von den Stones, Eagles oder Bob Dylan. Die fünf früheren Schüler des Neuen Gymnasiums Nürnberg rocken diverse Schulbälle im "Deutschen Hof".

Fans und Freunde finden sich Mitte der 70er Jahre gerne im Übungskeller am Maxtorgraben 33 ein, wenn "Dolores" probt. Das eine oder andere Bier wird getrunken, es wird gequatscht und der Musik gelauscht. "Also haben wir irgendwann 80 Pfennig pro Flasche verlangt", erinnert sich Zech. Zunächst ist der "Starclub" der Sitz des "Vereins zur Förderung zeitgenössischer Kunst": "Böse Zungen behaupten zwar, das anspruchsvoll klingende Etikett sei nur ein geschickter Dreh, um die sonst übliche Gaststättenkonzession zu umgehen, doch in der Tat stehen die Wände im rauchgeschwängerten Schankraum als Ausstellungsfläche für die Werke junger Künstler zur Verfügung", schreibt eine Redakteurin damals in den Nürnberger Nachrichten.

Eine Konzession beantragen die fünf schließlich doch. Ein Tresen sollte her und eine Brauerei, die diesen finanziert. Die damalige Patrizier, heute Tucher, lässt sich nicht von den Plänen der Jungs überzeugen, doch die Brauerei Spalter ist offen für Neues. "Es gab ja sonst nichts zum Ausgehen", sagt Zech. Eine Schanklizenz wird beantragt und aus dem Probenraum der Musikclub "Starclub" — eine Reminiszenz an den großen berühmten Bruder in Hamburg, wo einst die Beatles spielten.

Acht Mark die Stunde

Kicker, Flipper, Darts und Kinoraum links, dann den Gang weiter in den immer dunklen Gastraum. Hinterm Tresen stehen Schüler und Studenten, die für acht Mark die Stunde auch mal die Gläser polieren — wenn es im Putzplan steht. Zwei Plattenspieler und jede Menge Schallplatten samt Mischpult im Regal lassen oft die Wände zittern und die Gäste tanzen.

Das Publikum ist gut gemischt. Hier die schwänzenden Schüler, die an der ersten Zigarette ziehen und sich drei Stunden lang an einer Cola festhalten. Dort die langhaarigen Männer um die 30 in schwarzen Lederhosen, die ein "Flens" aus der Flasche und ein Guinness vom Fass zischen. Oder Musiker, die auch mal einen Auftritt hinlegen. "Fiddlers Green" zum Beispiel.

In den 80er Jahren ist der Cappuccino schon mit geschäumter Milch zubereitet. "Hawaii-Toast und Schinkensandwich, jeweils für einen Zwickel, Weckla und Kuchen sind immer im Haus", schreibt eine NN-Redakteurin 1981. Die GDR wächst, die fünf Freunde eröffnen das "Dröhnland", die "Ruhestörung" und den "Freudenpark". Der "Starclub" wird ihnen zu viel. Stammgast Bülent Sari will die Kneipe schon länger gerne übernehmen und erhält den Zuschlag.

Anfang der 90er Jahre ist der "Starclub" so bei den sehr jungen Nachtschwärmern angesagt, dass ein Türsteher für Ruhe sorgt. Ohne Ausweis geht nichts, wer unter 18 ist, fliegt ab Mitternacht raus. Hinter der Bar stehen zwei Männer oder Frauen, in der Küche schuftet ein Dritter, während zwei Bedienungen sich durch die Menge pressen und Bestellungen im Minutentakt aufnehmen. Zahlreiche Musiker zapfen die vielen Biere: Bassist Ralph Bach (JBO), Peter Hoppe (Slackwax) oder Eddy Ben Sari (Party Pirates). Einen richtigen DJ gibt es nicht, alle Mitarbeiter legen die Musik auf, die sie selbst mögen. Den Gästen gefällt es.

Doch irgendwann wird es ruhiger im "Starclub". Vielleicht liegt es daran, dass immer mehr Bars und Diskotheken eröffnen und die Zeit der Kellerkneipen vorbei ist. Ende der 90er Jahre gibt auch Bülent Sari den Musikclub ab. David Lodhi, Carolin Lorenz und Helmut Summer übernehmen. Nach einer großen Renovierung soll im Herbst 2000 "alles anders werden", so Lodhi.

Und dann ist auch noch der Name futsch. Aufgrund einer Abmahnung aus dem Hause Universal Music, dem die Rechte an der Marke "Starclub" gehören, wird im März 2007 aus dem "Starclub" der "Coalclub". Florian Wolf, selbst Stammgast, will das Lokal zu neuen Höhen führen, von 2012 bis Juni 2015. Doch die Nachbarn fühlen sich gestört, wie immer wieder in den 40 Jahren. Jetzt lassen sie sich den Krach nicht mehr bieten.

Und wieder heißt es "Vorbei, bye, bye". Doch dann kommt Frank Walther ("Kloster"), dem das Lokal schon immer am Herzen liegt. Vor einigen Wochen hat sein "Cobra Club" eröffnet, es gibt veganes Essen und immer noch viel Bier. Und auch die Musik bleibt den Gästen erhalten. Nachbarn hin oder her.

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