Nürnberger Richterin will kein Kreuz und Kopftuch im Gericht

27.4.2018, 18:29 Uhr
Das Kreuz im bayerischen Gerichtssaal hat Tradition, der Streit darum auch. (Symbolbild)

© Martin Gerten dpa/lnw Das Kreuz im bayerischen Gerichtssaal hat Tradition, der Streit darum auch. (Symbolbild)

Die Idee des Ministerpräsidenten, Kreuze in die Eingangsbereiche aller Staatsbehörden zu hängen, will Eike Weißenfels gar nicht kommentieren. Zwar erlebte die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht in Nürnberg – sie ist seit 37 Jahren Richterin – noch nie, dass ein Kläger darum bat, das schlichte Holzkreuz im DINA3-Format zu entfernen, doch in ihrem Saal nimmt sie es seit einiger Zeit vor Verhandlungsbeginn selbst ab.

"Ich bin getauft, ich habe konfirmiert, ich zahle Kirchensteuer", so die Juristin. Doch sie sagt auch: Die Religionsfreiheit glaubwürdig verteidigen – dies kann nur ein neutraler Staat. Kann ein Kreuz Zweifel an der Neutralität der Justiz säen? Fakt ist: Ein anderes religiöses Symbol, nämlich ein Kopftuch, kann es – wie der Hessische Verwaltungsgerichtshof (VGH) im vergangenen Jahr feststellte.

Nein zu Richterin mit Kopftuch

Im Januar 2017 trat eine junge Frau islamischen Glaubens in Frankfurt den juristischen Vorbereitungsdienst an, sie wollte ihr Kopftuch während ihrer Ausbildung tragen. Der VGH entschied, sie dürfe, trägt sie ihr Kopftuch, keine Tätigkeiten ausüben, bei denen sie von Bürgern als Repräsentantin der Justiz oder des Staates wahrgenommen wird. Im Klartext: Mit Kopftuch darf sie nicht auf der Richterbank sitzen, keine Sitzung leiten, keine Beweisaufnahme durchführen und auch nicht die Staatsanwaltschaft in der Sitzung vertreten.

Die Richter wählten deutliche Worte: Es sei kaum ein Ort denkbar, an dem die Wahrung staatlicher Neutralität so bedeutsam sei wie vor Gericht. So sieht es auch die Nürnberger Richterin: "Wir leben in einem säkularen Staat, weder ein Kopftuch noch ein Kreuz gehören in staatliche Behörden." Wohlgemerkt, in staatliche Behörden. Aber wie ist es mit einem Kopftuch an einem Arbeitsplatz außerhalb des öffentlichen Dienstes?

Schließlich darf auch niemand wegen seines Glaubens diskriminiert werden – und so gab Eike Weißenfels jüngst einer Kassiererin recht, die wegen ihres Kopftuchs von einem Drogeriemarkt die Kündigung kassierte. Es war dieser Prozess, der Eike Weißenfels zu dem Schluss kommen ließ, das Kreuz als religiöses Symbol aus ihrem Gerichtssaal zu nehmen. Früher wurden im Gerichtssaal Kreuze, sie standen am Richtertisch, zum Schwören gebraucht. Zeugen konnten beim Eid die Hand auf das Kreuz legen.

Trennung von Kirche und Staat

1956 bat das Justizministerium per Rundschreiben, das Kreuz an die Wand zu hängen, also in den Hintergrund zu rücken. 1973 folgte ein Beschluss des Bundesverfassungsgerichts: "Entgegen eigenen religiösen oder weltanschaulichen Überzeugungen unter dem Kreuz einen Rechtsstreit zu führen", dazu dürfe niemand gezwungen werden. Weißenfels verweist auf das Grundgesetz, "wohl die beste, vorbildlichste und demokratischste Verfassung der Welt", auch aufgrund der Trennung von Kirche und Staat.

Die freie Religionsausübung wird gewährt, der Staat hat sich aus Glaubensfragen herauszuhalten, wie in Artikel 4 formuliert wird: "Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich." Im Umkehrschluss: Auch wenn die christliche Botschaft eine geistige Grundlage unserer Gesellschaft ist, ein christlicher Staat ist Deutschland nicht.

Freie Religionsausübung

Die freie Religionsausübung, Gleichberechtigung, die freie Meinungsäußerung – das Grundgesetz ist eine Verfassung der Freiheit, der Konsens unserer Gesellschaft. "Und dies sind die Werte, um die wir kämpfen müssen", plädiert Eike Weißenfels. Es sind nicht immer die großen Themen: Dürften etwa türkischen Mädchen am Sportunterricht nicht teilnehmen, sollte dies nicht still akzeptiert werden, um Konflikte zu vermeiden. Der Rechtsstaat, die Demokratie ist kein Geschenk, sondern will gut gepflegt werden. 

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