Sicherheit in der U-Bahn: Hat die VAG ein Problem?

30.12.2016, 06:00 Uhr
Sicherheit in der U-Bahn: Hat die VAG ein Problem?

© Eduard Weigert

Dass Züge losfahren, obwohl Körperteile eingeklemmt sind, dass sich Fahrgäste nur mit Gewalt befreien können, ist offenbar keine Seltenheit. Sicher ist es leichtsinnig, wenn sich Menschen in letzter Sekunde zwischen schließende Automatiktüren quetschen, obwohl das Warnsignal ertönt. Oder wenn Kinder zum Spaß immer wieder ein- und aussteigen, bis es brenzlig wird. Doch darf das lebensgefährlich werden?

Irritation hat bei vielen vor allem die Erklärung der VAG ausgelöst, dass die von Fahrgästen - im Fall des eingeklemmten Kindes zwei Mal - gedrückte Notbremse gar nicht greift, wenn der Zug bereits im Tunnel ist. Das Unternehmen begründet dies damit, dass ein Zug an der nächsten Station besser evakuiert werden könne als im Tunnel. Aber was, wenn ein Mensch in der Türe klemmt? Auf Anfrage vertröstete die VAG auf einen Pressetermin am Freitag, bei dem sie den Türmechanismus am Zug demonstrieren will.

"Ein glattes Märchen"

Laut VAG kann eine U-Bahn gar nicht abfahren, wenn etwas in der Türe steckt. Bei großen Gegenständen öffne sich diese dann zehn Zentimeter, der Zug bleibe stehen. Auch bei schmalen Dingen - etwa der berühmten Hundeleine - spreche die Türspaltüberwachung an, der Zug werde gestoppt oder innerhalb von zehn Metern eingebremst. Die Türe bleibe in diesem Fall geschlossen. Fragt man die Fahrgäste, scheinen zumindest diese Angaben reine Theorie zu sein.

Die Praxis sieht anders aus, das legen zahlreiche Berichte von VAG-Nutzern nahe. Dass U-Bahn-Türen selbst auf dünne Hundeleinen sensibel reagieren, hält Irene Heckel aus Georgensgmünd seit dem zweiten Weihnachtsfeiertag für "ein glattes Märchen". Beim Versuch, im Hauptbahnhof die U1 zu nehmen, stieg sie ein, während die Hand ihres Mannes in die plötzlich schließende Türe eingeklemmt wurde. Die Durchsage "Bitte zurückbleiben" sei ausgeblieben, die Türe habe sich weder von innen noch von außen wieder öffnen lassen. Gewaltsam zerrte Günter Heckel schließlich seine Hand aus der Gummilippe; er zog sich eine schmerzhafte Schwellung zu. Irene Heckel: "Den Schrecken werden wir so schnell nicht vergessen."

"Gott sei Dank kräftig genug, um mich zu befreien"

Es gebe sehr gewissenhafte Fahrer, die an jeder Station überprüften, ob wirklich alle Passagiere eingestiegen sind, schreibt Brigitte Kreuzer aus Seukendorf. Sie habe aber erlebt, dass eine Mutter ihren Kinderwagen in den Waggon schob und die Türe ohne Vorwarnung zuging. Die Frau blieb draußen, nur weil Menschen am Bahnsteig wild gestikulierten, sei sie wieder geöffnet worden und die Mutter konnte zu ihrem Kind im Wagen.

Sie selbst sei einmal an Krücken in die U-Bahn eingestiegen, ihr Mann habe ihr geholfen. "Auf einmal ging die Tür zu. Ich innen, mein Mann draußen." Die VAG, glaubt die Seukendorferin, verniedliche die Gefahren, ein zehn Jahre altes Sicherheitssystem sei nichts wert.

Dass ein Hosenbein in der Tür nicht immer den Notfall auslöst, hat auch Online-Kommentator "Der Kaktus" erlebt. Jacken und Kapuzen seien eingezwickt worden, ohne dass das System reagiert habe. Er verweist jedoch auf die Warnlichter, welche auf die sich schließenden Türen hinweisen. "Da der U-Bahnfahrer ja kaum noch aussteigt, bei den neuen Automatikzügen ja gar nicht mehr aussteigen kann, ist die Beachtung solcher Sicherheitsmerkmale umso wichtiger", so der Nutzer. "Wenn doch mal etwas passiert, dann sind ja genügend Notfallbremssysteme vorhanden."

Leserin berichtet von Panik

Auch Leserin Jasmin Weiß berichtet, dass sie in der fahrerlosen U-Bahn eingeklemmt wurde. "Ich bin Gott sei Dank kräftig genug, um mich selbst zu befreien." Bei einem Kind oder älteren Menschen gehe das nicht gut aus. Es sei "völliger Humbug", schreibt Jana Franke, dass die Türen beim geringsten Widerstand reagierten. Sie habe erlebt, dass die U-Bahn losfuhr, obwohl der Mantel eines Mannes in der Türe steckte. Franke: "Zum Glück stand der Mann innen. Erst im nächsten Bahnhof konnte er sich befreien."

Aus Neumarkt meldet sich Ingrid Hrbatsch, deren Schultern heute noch stark schmerzen. Sie stand vor zwei Wochen im Hauptbahnhof vor geschlossenen U-Bahn-Türen, ihr Partner habe noch einsteigen können. Plötzlich seien die Türen wieder aufgegangen, doch als sie in der Öffnung stand, sei sie mit Wucht eingeklemmt worden: "Ich hatte Panik."

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