Videoüberwachung: Von den Grünen hagelt es Kritik

13.9.2017, 06:00 Uhr
Videoüberwachung: Von den Grünen hagelt es Kritik

Vor fast drei Wochen stand Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) an dieser Stelle und blickte zur Decke. Jetzt legen Bundestagsabgeordnete Irene Mihalic und Landtagsabgeordnete Verena Osgyan (beide Grüne) ihren Kopf in den Nacken und fixieren das, was auch Herrmann in der Köpa ins Visier genommen hatte: hochmoderne Kameras unter gläsernen Halbkugeln. So häufig sind Gesichter prominenter Politiker in der Einsatzzentrale des Polizeipräsidiums Mittelfranken wohl noch nicht auf dem Bildschirm aufgetaucht. Es ist Wahlkampf.

Klar: Es gibt einen deutlichen Unterschied in der Betrachtung beim Thema Videoüberwachung. Während Herrmann dem Ausbau der Videoüberwachung eher huldigt und ihn vorantreiben will, versuchen die beiden Frauen der Grünen-Partei die Euphorie etwas zu drosseln. Aber: "Wir haben nie gesagt, dass wir keine Videoüberwachung wollen. Manche unterstellen uns das", sagt Mihalic.

Gehe es um Brennpunkte, sperre sich ihre Partei sicher nicht. "Die Überwachung muss aber in ein polizeiliches Konzept eingebunden sein, so wie es hier in der Königstorpassage der Fall ist", ergänzt Osgyan, Datenschutzsprecherin ihrer Landtagsfraktion.

"Blinder Glaube an die Technik"

Verglichen mit der Aufklärungsquote bei Straftaten im vergangenen Jahr im gesamten Stadtgebiet (62,3 Prozent) ist die Quote in der Köpa deutlich höher (76 Prozent). Ein Erfolg durch die 18 dort installierten Kameras? Nicht unbedingt, sagt Mihalic. Die hohe Quote in dem Verteilergeschoss sei sicher nicht alleine auf die Videoüberwachung zurückzuführen.

Und: "Man muss bedenken, dass ein Fall als geklärt gilt und in der Kriminalstatistik landet, wenn der Tatverdächtige feststeht. Ob derjenige das aber auch wirklich war, ist nicht sicher", so die innenpolitische Sprecherin der Bundestags-Grünen.

Hier unten geht es um die Drogenszene, aus der heraus viele Straftaten anfallen. Wird sie durch Kameras und Polizeimaßnahmen verdrängt, würden sich Drogenhandel und Körperverletzungen bloß verlagern. Sie passieren andernorts. "Bei einer Verdrängung lassen sich dann die Ursachen für Straftaten viel schlechter behandeln", sagt die ehemalige Polizistin.

Ein Kernpunkt der Kritik beider Grünen-Politikerinnen ist aber der "blinde Glaube an die Technik". Als Beispiel führen sie die neue Videoüberwachung mit Gesichtserkennung am Berliner Südkreuz an, deren Testphase kürzlich startete. Mihalic vermutet, dass den Betreibern des neuen Systems wohl selber nicht so recht klar ist, was diese Technik alles kann. Was viele nicht wussten: Es geht gar nicht alleine um Gesichtserkennung. "Bei den Testpersonen ist zum Beispiel auch die Körpertemperatur festgestellt worden. Doch davon hatten die Probanden gar keine Ahnung."

Das sei "hochproblematisch", zumal es für die Erfassung von Biodaten noch keine rechtliche Grundlage gebe. "Die Rechtsgrundlage, auf die sich die Bundesregierung bezieht, ist vor x Jahren geschaffen worden. Diese Technik gab es damals noch gar nicht."

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