"Visionen für Nürnberg": Maly auf dem Mobilitätsforum

16.3.2018, 10:10 Uhr
Über die Zukunftsvisionen für die Mobilität in Nürnberg diskutierten am Donnerstagabend Jürgen Hildebrandt, Arno Stoffels, Ramin Tavakoli Kolagari, OB Ulrich Maly, Andreas Franke und Jens Ott (von links).

© Roland Fengler Über die Zukunftsvisionen für die Mobilität in Nürnberg diskutierten am Donnerstagabend Jürgen Hildebrandt, Arno Stoffels, Ramin Tavakoli Kolagari, OB Ulrich Maly, Andreas Franke und Jens Ott (von links).

Autonom gesteuerte Fahrzeuge könnten schon in gut zehn Jahren zum Alltag auf unseren Straßen gehören. Zugleich aber sollten deutlich mehr Bürger als heute mit Bussen und Bahnen unterwegs sein – und ganz besonders mit dem Rad. Wie das gelingen kann und einige weitere Perspektiven standen im Zentrum eines NN-Forums im Rahmen eines Informationsschwerpunkts rund um Fragen der Mobilität.

Gefragt waren "Visionen für Nürnberg"; Aspekte wie der zunehmende Flugverkehr und Fernreisen blieben ausgespart. "Unser Verhältnis zur Kiste ist hochgradig irrational", gab Oberbürgermeister Ulrich Maly im schmucken Orpheum in Nürnberg-St.Johannis zu bedenken. Wobei er den Platzbedarf für den ruhenden Verkehr für noch ärgerlicher hält als den Umfang der rollenden Blechlawine. Immerhin sei deren Anteil an allen Fahrten wenigstens leicht auf rund 31 Prozent gesunken. Doch unterm Strich beanspruche die überwiegende Mehrheit aller Autos vor allem eins – Fläche zum Parken.


Lesen Sie hier den ersten Teil unseres Interviews mit Nürnbergs Oberbürgermeister Dr. Ulrich Maly aus unserer Mobilitätsserie.


Überall dort aber, wo es gelinge, Platz zurückzugewinnen, komme das Fußgängern, Radfahrern oder auch Cafés zugute. Im Zweifelsfall aber müsse um die Umverteilung des öffentlichen Raums hart gerungen werden. "Das gelingt nur mit breiter Beteiligung", warb er um Unterstützung im ausverkauften Saal.

"Fahrradfahren ist in Nürnberg einfach nicht sexy"

Zukunftsweisende Ansätze wolle die Stadt im künftigen Quartier an der Brunecker Straße erproben, wo auch die neue Uni angesiedelt werden soll. "Der Campus soll autofrei werden, und für die Wohnungen sollen nicht automatisch soviel Stellplätze vorgeschrieben werden wie bisher", kündigte Maly an, "jeder, der dorthin zieht, weiß, worauf er oder sie sich einlässt". "Fahrradfahren ist in Nürnberg einfach nicht sexy", bedauerte Jens Ott vom Allgemeinen Deutschen Fahrradclub (ADFC) bei dem von den beiden NN-Redakteuren Arno Stoffels (Reporter) und Andreas Franke (Ressortleiter Lokales Nürnberg) moderierten Rundgespräch.

Vorbilder aus dem Norden

Vermisst werden nicht nur bequeme, sondern vor allem auch sichere Wege und Routen, allen voran Schnellwege. Kein Wunder, dass der Radverkehrsanteil seit 2008 nur von elf auf 13 Prozent stieg – und von den angepeilten 20 Prozent noch weit entfernt ist. Dabei benutzt nach einer Studie des Bundesverkehrsministeriums jeder dritte Bürger regelmäßig ein Rad, aber nur jeder zweite fühlt sich auch sicher. "Ich will zügig vorankommen und dabei Fußgänger weder behindern oder belästigen noch von auf Radwegen abgestellten Autos ausgebremst werden", betonte auch eine leidenschaftliche Radfahrerin aus dem Publikum.

Als Vorbilder werden häufig Städte wie Kopenhagen oder Amsterdam zitiert. Freilich könne Nürnberg aber "nicht in zwei Jahren nachholen, was andernorts in Jahrzehnten entstanden ist", räumte Ott ein. Einen Einblick in die Welt der Softwareentwickler, die an der Steuerung für die autonom gesteuerten Autos von morgen tüfteln, gab Professor Ramin Tavakoli Kolagari von der Technischen Hochschule Georg Simon Ohm. Vorangetrieben wird die Technik allerdings weniger zur Lösung von Umweltproblemen, sondern vor allem um die Zahl der Unfallopfer möglichst drastisch zu senken. Dabei steht in der Übergangszeit womöglich sogar noch ein Anstieg zu befürchten. Denn die Technik, so der Wissenschaftler, sei nur schwer auf das unberechenbare Verhalten von Menschen einzustellen. Wie auf plötzlich ohne Blinker ausscherende Lkw oder Verkehrsteilnehmer, die die Vorfahrt missachten.


Lesen Sie hier den zweiten Teil unseres Interviews mit Nürnbergs Oberbürgermeister Dr. Ulrich Maly aus unserer Mobilitätsserie.


Über flächendeckende WLAN-Netze und die Vernetzung aller Fahrzeuge entstehen gigantische Datenmengen. "Da bleibt auch noch zu klären, wem die gehören", mahnte Jürgen Hildebrandt vom ADAC – nicht zuletzt im Blick auf die Haftung bei Pannen. Insgesamt müssten die Alternativen zum Auto gestärkt und attraktiver gemacht werde, bloße "Abschreckung" wirke nicht – sonst müssten jetzt schon viel mehr staugeplagte Autofahrer ihren Wagen stehen lassen. Zur Lösung der vor allem großstädtischen Verkehrsprobleme kann die "intelligente Steuerung" freilich nur beitragen, wenn die Fahrzeugbesitzer nicht einfach einen alten gegen einen neuen Wagen eintauschen, sondern das autonome Fahren auch stärker zum Teilen genutzt wird.

Mehr Engagement vom Bund gefordert

Nach Schätzungen ließe sich die heutige Zahl aller innerstädtischen Fahrten mit einem Drittel weniger Autos bewältigen. Statt von kostenlosem öffentlichen Nahverkehr zu träumen, sei zunächst vor allem eine bessere Grundfinanzierung von Investitionen und Betriebskosten erforderlich. "Das fordern wir seit vielen Jahren, da muss sich der Bund engagieren", betonte Maly. Vor allem in der Spitzenzeit im morgendlichen Berufsverkehr sind ohne weiteren Ausbau – zumindest in den Städten – mehr Fahrgäste auch kaum zu verkraften. Die Spitze gleiche dem Matterhorn, während sich die Rückfahrten von Schule, Uni und der Arbeit nachmittags über einen breiteren Zeitraum erstrecken ("ein Tafelberg").

Auch das Publikum im ausverkauften Saal war zum Mitdiskutieren eingeladen. Besucher erinnerten beispielsweise daran, dass auch die Elektromobilität mit erheblichen Umweltproblemen verbunden sein – von der Stromerzeugung aus (noch) Braunkohle bis zur Entsorgung der Batterien. Ein großes Potenzial sieht ein anderer Teilnehmer in der Nutzung von Lastenrädern. "Da ist in Nürnberg noch nichts in Sicht", meinte er, übersah aber einen derzeit laufenden Feldversuch von Paketdiensten. 

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