Wirte sollen Junggesellenabschiede abweisen

16.12.2013, 07:20 Uhr
Wirte sollen Junggesellenabschiede abweisen

© Tanja Toplak

Die Diskussion um nächtlichen Lärm, Vandalismus und Müll in der Altstadt ist um eine Facette reicher. „Besonders störend und rücksichtslos sind durch die Innenstadt ziehende Junggesellenabschiede“, sagt Robert Pollack, der stellvertretende Leiter des Ordnungsamts. Gemeint sind Männergruppen um einen Bräutigam, der ein letztes Mal vor der Ehe mit Freunden richtig feiern will. Auch immer mehr Bräute tun das. „Das führt oft zu regelrechten Alkoholexzessen“, sagt Stephan Schulz, Betreiber einer Bar in der Weißgerbergasse.

„Wir versuchen, zusammen mit den Wirten noch klarer zu zeigen, dass Junggesellenabschiede im Nürnberger Nachtleben unerwünscht sind und das Verhalten der Beteiligten nicht akzeptiert wird“, so Robert Pollack: „Es ist deshalb zu begrüßen, wenn Wirte Junggesellenabschiede nicht in ihr Lokal lassen.“ Stephan Schulz verwehrt den feierwütigen Gruppen nach schlechten Erfahrungen grundsätzlich den Eintritt. So streng handhaben das lange nicht alle Gastronomiebetreiber in der Altstadt. Deshalb übt das Ordnungsamt jetzt Druck aus: „Lokale, die Junggesellenabschiede einlassen oder bewerben, müssen sich deren störendes Verhalten im Außenbereich anrechnen lassen“, so Pollack.

Die Altstadt zieht Junggesellenabschiede aus der ganzen Region an. „Die meisten steigen bereits besoffen aus dem Zug und treiben dann in der Altstadt ihr Unwesen“, erzählt Stephan Schulz. Nicht selten kommen lärmende Gruppen um einen Ehegatten in spe aus Bamberg oder Würzburg extra nach Nürnberg. „Denen ist egal, ob sich die Anwohner hier beschweren oder Dreck liegen bleibt“, sagt Schulz.

Unter diesen Umständen ist fraglich, ob die vom Bürgerverein Nürnberg-Altstadt und der SPD-Stadtratsfraktion geforderte Rückkehr zur alten Sperrzeit (2 Uhr unter der Woche, 3 Uhr am Wochenende) die Situation überhaupt bessern würde, oder ob sich die Brennpunkte nur verlagern. „Wenn die Bars, Clubs und Kneipen um 3 Uhr schließen, zieht die Horde Betrunkener weiter zum Hauptbahnhof“, befürchtet Stephan Schulz. Die ersten Regionalzüge fahren dort frühestens um 5 Uhr.

Während Schulz für mehr Polizeipräsenz plädiert, betrachtet die Stadt eine Sperrzeitenverlängerung weiter als wirksames Mittel. Beides liegt in der Hand der Landesregierung. „Rücksichtsvolle Wirte und Gäste könnten mit Sperrzeitverkürzungen belohnt werden, während Problemlokale eher schließen müssen“, erklärt Robert Pollack. Örtliche Sperrzeitregelungen wie in anderen Städten seien nach der Rechts- und Erkenntnislage nicht für die gesamte Altstadt möglich, sondern nur für Problembereiche. Das würde zu unterschiedlichen „Sperrzeitinseln“ und entsprechenden Verlagerungen der Gäste führen, so Pollack.

CSU-Stadtratsfraktion pocht auf Ordnungsdienst

Die CSU-Stadtratsfraktion hingegen pocht weiter auf die Einführung eines Kommunalen Ordnungsdienstes nach Augsburger Vorbild. Allerdings hätten die städtischen Ordnungshüter wenig Kompetenzen und müssten in vielen Situationen selbst die Polizei rufen, da sie beispielsweise handgreiflich werdende Störenfriede nicht festhalten oder gar festnehmen dürfen. Junggesellenabschiede könnte auch der Ordnungsdienst nicht verbieten. Doch könnte er den Beteiligten klarmachen, dass sie in der Nürnberger Altstadt unerwünscht sind.

„Wir sind keine Spaßbremsen“, sagte Elisabeth Most, die Vorsitzende des Bürgervereins Nürnberg-Altstadt, unlängst bei einer Sitzung des „Arbeitskreises Kneipen“. Most und ihre Mitstreiter sehen aber das erträgliche Maß an Lärm und Müll weit überschritten. Rund 65 Beschwerden von ungefähr 30 Altstadt-Anwohnern sind beim Ordnungsamt in diesem Jahr eingegangen. Insgesamt wohnen in der Sebalder und der Lorenzer Altstadt 13.759 Menschen.

Sind Lärmbeschwerden auf ein Fehlverhalten von Wirten oder Gästen bestimmter Lokale zurückzuführen, weist das Ordnungsamt die Wirte darauf hin und erlässt entsprechende Anordnungen, verhängt etwa Bußgelder oder sogar Sperrzeitverlängerungen. „Erwische ich einen meiner Gäste, wie er gegenüber an die Hauswand pinkelt, kriegt er Hausverbot“, sagt Stephan Schulz. Seine Wut allein beim Gedanken daran ist deutlich spürbar. Dass die Wirte meist Verständnis für die Nachbarschaft zeigen, bestätigt auch das Ordnungsamt.

Die eigentliche Schwierigkeit liegt in Beschwerden, die „einem insgesamt nächtlichen Treiben und Verkehr zuzurechnen sind“, ohne Bezug zu konkreten Lokalen, so Pollack. Viele Leute hielten sich auch ohne Besuch eines Lokals im Freien auf. „Wenn sich ein Junggesellenabschied den Maxplatz zum Saufen aussucht, bin ich als Wirt doch nicht dafür verantwortlich“, sagt Stephan Schulz. Anwohner, die sich gestört fühlen, haben dann die Möglichkeit, sich bei Polizei oder Ordnungsamt zu beschweren. Aber auch die Mittel der Stadtverwaltung sind begrenzt.

„Ich kann nur an die Vernunft aller appellieren“, so Schulz: „Wenn die Leute es sich künftig zweimal überlegen, bevor sie an fremde Hauswände urinieren, überlegen es sich auch die Anwohner zweimal, bevor sie sich beschweren.“
 

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