Rocker-Schlägerei: Prozess gibt Einblicke in die Szene

25.11.2018, 15:04 Uhr

"Er hat in jedem zweiten Satz gesagt, dass er Angst hat", erinnert sich eine Kriminalbeamtin an die Vernehmung von Olaf W. (Name geändert). Der Besitzer eines Schwabacher Tattoo-Studios wollte gemeinsam mit anderen Fans im Jahr 2017 ein sogenanntes "Chapter", eine Art Ortsverein, der rockerähnlichen Vereinigung United Tribunes (UT), gründen. Zu diesem Zweck sprach er in Italien bei Peter S., dem Europa-Präsidenten der Gruppierung, vor.

Ein Schlägertrupp macht sich auf den Weg

Doch schon bevor es zur Gründung der Schwabacher Ortsgruppe kam,
fielen die angehenden fränkischen Rocker beim Präsidenten in Ungnade: Offenbar hatte Olaf W. UT-Devotionalien zum Kauf im Internet angeboten. Das passte dem 51-Jährigen Peter S. wohl nicht. Er schickte ein vierköpfiges Schlägerkommando los: Sie sollten laut Anklage den Schwabacher Möchtegern-Rockern nicht nur ihre Club-Utensilien abnehmen. Nein, er forderte seine Schläger auf, die Männer "wegzumachen" und "plattzumachen".

Und so kam es tatsächlich auch: Am Abend des 25. Oktober 2017 tauchte die vierköpfige Delegation im Keller des Tattoo-Ladens auf, der einmal das Club-Heim werden sollte. Zunächst schnitten sie Aufnäher von den Kutten und zerstörten Fanartikel und Einrichtungsgegenstände. Dann verdroschen sie – unter anderem mit einem Golfschläger – die vier anwesenden Gründungsmitglieder.

Massive Verletzungen

Olaf W., der bereits Anfang der Woche vor Gericht aussagte, berichtete von Rippenbrüchen, Quetschungen und Prellungen, die zum Teil so massiv waren, dass er längere Zeit seinen Beruf als Tätowierer nicht ausüben konnte. Er schilderte auch, wie er die Blutlachen in seinem Geschäft eigenhändig aufgewischt habe. Zum Arzt sei er nicht gegangen, berichtete der Schwabacher, der damals Präsident des Schwabacher Ortsvereins werden wollte. Auch eine Anzeige bei der Polizei ging nie ein.

Die Gewalttaten wurden nur aktenkundig, weil die Polizei wegen des
Verdachts auf andere Straftaten die Telefone einiger Beteiligter abgehört hatte. Von den vier Geschädigten konnte die Polizei bisher nur zwei befragen: Neben Olaf W., ist das der designierte Vizepräsident des Schwabacher "Chapters", der in der Gruppierung den Spitznamen "Monster" führte. Zwei weitere Opfer hat die Polizei bislang nicht gefunden.

In Nürnberg stehen nun UT-Boss Peter S. (51) als Anstifter und zwei der mutmaßlichen Schläger, 23 und 55 Jahre alt, vor Gericht. S. behauptete zum Prozessauftakt, die Strafaktion sei nicht so geplant gewesen und einfach aus dem Ruder gelaufen. Die beiden anderen Angeklagten schoben die Hauptschuld auf zwei weitere mutmaßliche Schläger, gegen die derzeit in Österreich Ermittlungen laufen. Die Österreicher haben bei der Polizei umfangreich ausgesagt. Als Zeugen wollten jedoch sie nicht nach Nürnberg kommen.

Furcht vor Racheakten – und vor der deutschen Justiz

Einmal befürchten sie wohl Racheakte von anderen Rockern. Zum anderen, das ließen sie der Staatsanwaltschaft über ihre Anwälte mitteilen, haben sie Angst, in Deutschland festgenommen und angeklagt zu werden. In ihrer Heimat sind sie davor sicher: Österreich liefert seine Staatsbürger nicht an andere Länder aus.

Es gibt aber andere Beweise für die Gewalttat: Neben Chats zwischen den Angeklagten, die auf deren Mobiltelefonen gefunden wurde, existiert ein Handy-Video von dem Überfall. Der Prozess geht weiter, ein Urteil könnte Mitte Dezember fallen.