Glosse: Die Zukunft trinkt Schwabacher Goldwasser

14.5.2017, 05:58 Uhr
Johann Wolfgang von Goethe. Wer hoch hinaus will, misst sich mit den ganz Großen.

© oh Johann Wolfgang von Goethe. Wer hoch hinaus will, misst sich mit den ganz Großen.

Menschen haben sich schon immer Gedanken gemacht, wie sie – lange nach ihrem Tod – vor den Augen der Nachwelt dastehen. "Die Nachwelt richtet nur nach Taten", soll Napoleon gesagt haben. Und die Taten früherer Generationen kommen uns heute manchmal recht unsinnig vor. Wobei, das sei gleich hinterhergeschoben, unsere Nachfahren sicher dasselbe über uns sagen werden.

Die Zeitung macht da keine Ausnahme. Für seine urkomische Dreistigkeit legendär ist etwa eine Überschrift der Neumarkter Kollegen, nachdem Trainer Alexander Samen bei der DJK Rohr Schluss machte: "Samen verlässt Rohr." Ein Klassiker in Journalistenkreisen.

Tolle Alliteration

Gänzlich bescheuert, aber mit toller Alliteration, ist auch: "Burgersgarten macht Brombachsee zum Ballermann", wie es hier auf nordbayern.de kürzlich hieß. Ja, ja, mea culpa, dieser Unrat ist auf meinem eigenen Mist gewachsen.

Es sind nur zwei Beispiele dafür, dass die Ergüsse von uns Journalisten vielleicht nicht immer bis in alle Ewigkeit überdauern sollten, man könnte noch einige mehr aufzählen. Ist auch nicht schlimm, wir vergleichen uns nicht mit Napoleon oder meinetwegen Goethe. Na ja, mit dem vielleicht schon.

Kupferrohr im Grundstein

Worauf ich eigentlich hinaus will: Die Raiffeisenbank Roth-Schwabach hat am Mittwoch den Grundstein für das "Raiba-Center" gelegt, ein sechsstöckiger Bau, der an der Rother Straße entstehen wird. Dabei wurde – für die besagte Nachwelt – ein Kupferrohr in den Grundstein eingelegt, das verschiedene Dinge enthält, unter anderem eine aktuelle Ausgabe des Schwabacher Tagblatts.

Darüber sind wir sehr froh. Und wenn in 500 Jahren unsere Nachfahren dieses Kupferrohr ausgraben, dann werden sie ebenso froh sein. Denn sie werden erfahren, dass 2017 am ersten Wochenende der Saison im Parkbad der Eintritt frei war; und dass ein Dieb in einer Rednitzhembacher Bäckerei Limonade und Eistee gestohlen hat; nicht zu vergessen, dass Oliver Wechsler den vierten Eckersmühlener Dorflauf gewonnen hat.

Ein Jahrhundertfund

Man kann mit Fug und Recht behaupten, dass die Archäologen der Zukunft damit einen repräsentativen Querschnitt des Weltgeschehens im Jahr 2017 in ihren Händen halten werden – ein Jahrhundertfund. Böse Zungen könnten einwenden, die Zeitung sei nur wegen des links oben vermerkten Datums in den Grundstein geraten. Doch diese Sichtweise halten wir für unzulässig.

Übrigens wurden neben dem Tagblatt noch weitere Dinge in der Zeitkapsel untergebracht: Die Baupläne für das "Raiba-Center", aktuelle Euro- und Cent-Münzen sowie eine Flasche Schwabacher Goldwasser (einen mit Blattgold durchsetzten Gewürzlikör). Baupläne, Geld und Alkohol: Unsere Nachfahren werden tatsächlich einen guten Überblick über die entscheidenden Dinge des 21. Jahrhunderts bekommen!

Und einen guten Rausch.

Aber, aber, spricht der Poet: "Was glänzt, ist für den Augenblick geboren. Das Echte bleibt der Nachwelt unverloren." Und das ist nicht auf meinem Mist gewachsen, sondern auf dem von Johann Wolfgang von Goethe.

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