Ruf nach Wiederbelebung des sozialen Wohnungsbaus

15.10.2015, 08:14 Uhr
Ruf nach Wiederbelebung des sozialen Wohnungsbaus

© Foto: Robert Schmitt

Die Übergangswohnanlage am Vogelherd werde bis Ende des Jahres wohl an ihre Grenzen gelangen, so die Sozialpädagogin Ott.

Die Zahlen machen wahrlich keinen Mut. Mit 1,4 Prozent Wachstum bei den Wohnungen liege Schwabach zwar über dem Landesschnitt, rechnete Ott vor. „Aber alles nicht im bezahlbaren Bereich“, erklärte sie.

Im Gegenteil: Bei den Sozialwohnungen sei ein Rückgang von 190 Wohnungen innerhalb von zwei Jahren festzustellen, so Ott. Außerdem verlieren Menschen ihre Wohnung, fügte Ott hinzu, weil die Hartz-IV-Mietobergrenzen zu niedrig seien.

„Hier passiert schon ganz viel“

Angesichts des vor zwei Jahren ins Leben gerufenen „Arbeitskreises Wohnungslosigkeit“ sieht die Expertin für Schwabach gleichwohl positive Signale: „Hier passiert offenbar schon ganz viel.“ Im Goldenen Saal diskutierten Fachleute aus den Wohlfahrtsverbänden, der Wohnungswirtschaft und der Stadt Schwabach über die angespannte Lage auf dem Schwabacher Wohnungsmarkt und ihre Auswirkungen auf Menschen in Wohnungsnot. Die Moderation lag bei Tagblatt-Redaktionsleiter Jürgen Karg.

Die Hauptbotschaften des Abends: Mehr Geld für den sozialen Wohnungsbau und mehr Prävention durch Fachstellen. Ferner Standards überdenken, Nebenkosten senken und eine Statistik über Wohnungsnotfälle einführen.

Die „Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe“ habe kürzlich 540 000 Wohnungslose bis 2018 prognostiziert, sagte Heidi Ott. Die Stadtmission Nürnberg habe deshalb selbst Wohnungen angemietet, um wohnungslosen Menschen schnell helfen zu können.

Konkrete Pläne der GeWoBau

Insbesondere die Schwabacher GeWoBau konnte mit relativ konkreten Planungen punkten. „Wir wollen Gebäude aufstocken“, erklärte Prokurist André Hinkl. Allein durch den Dachausbau von vier Blöcken im Eichwasen könnten innerhalb eines überschaubaren Zeitrahmens 3600 Quadratmeter neuer Wohnraum entstehen (Mehr Wohnraum: Was bringen Verdichtung und Aufstockung?). Mit kluger Nachverdichtung, etwa durch Anbauten, wolle man ebenfalls handeln. Das sei in der Konrad-Adenauer-Straße geplant. 2017 werde außerdem an der Fürther Straße ein Neubau mit 36 Wohnungen bezugsfertig sein (Neue bezahlbare Wohnungen in lebendiger Nachbarschaft).

Laut Heidi Ott bestehen bei der GeWoBau allerdings 750 Wohnungs-Vormerkungen. „Bei einem Bestand von 1243 und einer Fluktuation von 100 pro Jahr.“

Stadtrechtsrat Knut Engelbrecht von der Stadt Schwabach brachte Erleichterungen bei der Bauplanung ins Spiel. Hier müsse der Gesetzgeber das System durchforsten und Hindernisse aus dem Weg räumen, die schnellem Bauen entgegenstehen, etwa beim Lärmschutz. Zugleich werde die Stadt in Bebauungsplänen zunehmend festlegen, dass ein gewisser Prozentsatz von Sozialwohnungen gebaut werden müsse. Um weitere Bauflächen ausweisen zu können, wolle man das Planungsamt personell verstärken, so Engelbrecht.

Beyer fordert Umdenken

Professor Dr. Thomas Beyer forderte als Landesvorsitzender der Arbeiterwohlfahrt ein Umdenken beim Innenminister. „Der soziale Wohnungsbau ist ruiniert worden“, kritisierte Beyer. Er verlangte für Wohnungsbaugesellschaften direkte staatliche Förderungen statt Zinsverbilligungen: „Sie reichen nicht,“ stellte Beyer klar.

Zudem machte der bayerische Awo-Chef auf die psychosoziale Lage der Menschen in Wohnungsnot aufmerksam. Hier sei eine ganzheitliche Sicht auf die Lebenssituation nötig, die zu verknüpften Hilfen führen müsse. Häufig sei die Schuldnerberatung erforderlich oder eine Suchtproblematik müsse bearbeitet werden.

„Pulverfass München“

Thomas Beyer sah vor allem angesichts der Flüchtlinge auch die Landesplanung als gefordert an. „Denn alle Menschen wollen da wohnen, wo es Arbeit gibt.“ In Sachen Armut und Mietpreise sei München schon heute ein Pulverfass. Deshalb müsse im gesamten Freistaat gleichmäßiger angesiedelt werden.

Tobias Mähner wies auf ein Programm der bayerischen Staatsregierung hin, nach dem in nächster Zukunft 240 Millionen Euro in den sozialen Wohnungsbau fließen. Für den stellvertretenden Vorsitzenden des Diakonischen Werk Bayern allerdings lediglich ein Anfang.

Vorbild Wien

„Die Stadt Wien investiert 2015 700 Millionen Euro in den Sozialen Wohnungsbau“, skizzierte er die vorbildliche Wohnungspolitik in der österreichischen Bundeshauptstadt. „Dort befindet sich jede dritte Wohnung im Besitz der Stadt.“

Für Bayern sah Mähner die Notwendigkeit, mehr Anreize für den sozialen Wohnungsbau zu schaffen, Baustandards zu senken und mehr Baugebiete auszuweisen. Er schloss nicht einmal aus, dass die Diakonie in Kooperation mit dem Evangelischen Siedlungswerk selbst zum Bauherren werden könnte.

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