Plakat-Streit um Weißenburger Altstadt

5.7.2018, 09:00 Uhr
Plakat-Streit um Weißenburger Altstadt

© Archivfoto: Renner

Die bayerische Landtagswahl findet am 14. Oktober statt, aber der Wahlkampf hat in vielerlei Hinsicht längst begonnen. Das scheint im Großen für die CSU und ihre Berliner Bambule zu gelten, nicht minder aber im Kleinen für Linken-Stadtrat Erkan Dinar. Mit einer überraschend scharfen Presse­erklärung reagierte er auf eine vermeintliche Petitesse. Er warf dem Weißenburger Oberbürgermeister Heuchelei, Machtbesessenheit und mangelndes demokratisches Bewusstsein vor. Anlass des Ausfalls: die Änderung der Verordnung der Großen Kreisstadt Weißenburg i. Bay. über öffentliche Anschläge.

In dieser wird geregelt, wer wo in Weißenburg was, wann und wie anschlagen, also plakatieren, aufhängen oder aufstellen darf. Bislang kamen in der Verordnung die politischen Parteien nur als Ausnahme vor. Und zwar insofern, als die vielfältigen Beschränkungen für normale Werbetreibenden für sie nicht gelten. Das Recht der Parteien, an der politischen Willensbildung mitzuwirken, ist im Grundgesetz verankert und genießt hohen Schutz. Darunter fällt auch die Werbung für ihr politisches Personal.

„Wir hatten eine Art Gentleman’s Agreement“, stellte Weißenburgs Oberbürgermeister Jürgen Schröppel fest. Dazu gehörte, dass man nur an bestimmten Stellen der Altstadt plakatiert und es nicht übertreibt. „Jetzt müssen wir aber fürchten, dass diese Übereinkunft nicht mehr hält. Es ist mit Parteien zu rechnen, die örtlich nicht verwurzelt sind“, erklärt der OB seine Initiative für eine Änderung. Um eine „Flut an Wahlplakaten“ in der Innenstadt zu verhindern, regte er eine Änderung der Verordnung an.

Diese sah vor, dass auf dem Marktplatz, der Friedrich-Ebert-Straße und der Rosenstraße keine Wahlplakate mehr angebracht werden dürfen und in der Luitpoldstraße nur eines pro Partei. „Das ist eine ganz marginale Einschränkung für die Parteien“, findet Schröppel. Immerhin dürften diese in der weiteren Altstadt – etwa der Bahnhofstraße oder der Obertorstraße – genauso ungestört weiterplakatieren wie im Rest der Stadt, etwa an den Ein- und Ausfallstraßen. Begründet wurden die Einschränkungen mit dem Schutz des historischen Stadtkerns vor Verschandelung. Eine Möglichkeit, die der wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestags mit Verweis auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts als zulässig erachtet.

Im Hauptausschuss ging die Än­derung ohne Diskussion einstimmig durch. Ein ähnliches Bild im Gesamtstadtrat, wo nur Erkan Dinar gegen die Änderung stimmte, sich in der Sitzung aber nicht zu Wort meldete. Das tat er drei Tage später via Pressemitteilung. „Es liegt wohl in der Charaktereigenschaft von Machtmenschen, die Demokratie und Freiheit und damit verbunden auch die Rechte zur Wahlwerbung, nur so lange hochzuhalten, bis eben diese genannten Rechte zu einer womöglichen Bedrohung für eben diese Art von Machtmensch werden kann“, heißt es auf dem Portal des Linken-Ortsverbands.

Weiter wirft er dem Stadtrat Kungelei vor. „Die Entscheidung dafür wurde ja auch schon längst im Hinterzimmer getroffen. Auf Einladung von Oberbürgermeister Schröppel treffen sich alle Stadtratsparteien einmal monatlich im OB-Büro zu einem Geheimtreffen, um die Anträge zu besprechen“, erklärt Dinar. Nicht zu den Treffen eingeladen sei die Linke, stellt er zudem fest und fragte süffisant nach: „Warum wohl?“

„Wer die Demokratie, das Grund­gesetz sowie die darin enthaltenen Bürger- sowie Freiheitsrechte schätzt, sollte auch sechs Wochen lang einen Wahlkampf um die Stimmen der Bürgerschaft ertragen können“, schimpft Dinar. Den Ensembleschutz der Altstadt als Begründung für die Wahlwerbeeinschränkung heranzuziehen, hält er für „Quatsch“ und „Heuchelei“. Dem Oberbürgermeister gehe es aus seiner Sicht nicht um den Schutz der Altstadt, sondern den Schutz seiner Position.

Offenbar spielt Dinar damit auf die Kommunalwahlen im Frühjahr 2020 an, bei denen es dann tatsächlich auch um den Arbeitsplatz von OB Schröppel gehen würde. Der nahm Dinars Angriffe auf Anfrage unserer Zeitung gelassen hin. „Lächerlich“, stellte er knapp fest und verwies auf die eindeutige Rechtslage. „Den Parteien sind weiter genug Möglichkeiten gegeben, für sich Werbung zu machen.“

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