Wie Verkehrsplaner den Auto-Verkehr reduzieren wollen

17.3.2018, 05:54 Uhr
Zu viele Pendler sind im Großraum Nürnberg mit dem Auto unterwegs. Stau steht deshalb oft gerade im morgendlichen Berufsverkehr auf der Tagesordnung, wie hier auf dem Frankenschnellweg oder auf anderen Einfallstraßen in Nürnberg oder Erlangen.

© Michael Matejka Zu viele Pendler sind im Großraum Nürnberg mit dem Auto unterwegs. Stau steht deshalb oft gerade im morgendlichen Berufsverkehr auf der Tagesordnung, wie hier auf dem Frankenschnellweg oder auf anderen Einfallstraßen in Nürnberg oder Erlangen.

Das Team von Christian Korda sowie externe Gutachter füttern ihre Computer mit Daten. Hier sperren die Verkehrsplaner - zunächst nur virtuell - eine Straße für Autos oder richten einen Busstreifen ein, dort drosseln sie die zulässige Geschwindigkeit oder verbieten das Linksabbiegen. Dann startet die Simulation.

"Das kann einen Tag lang dauern, bis das Programm fertig gerechnet hat", sagt der Erlanger Experte. Nach tagelanger Rechenarbeit spucken die Rechner zahlreiche Varianten aus, von denen Planungsreferent Josef Weber in diesen Tagen die besten den Bürgern vorstellt. Alle zehn Planfälle haben ein Ziel: weniger Auto-Verkehr durch die Stadt, dank einer besseren Lenkung.

Zwischen sieben und halb neun kommt die Blechlawine, die sich Werktag für Werktag über die Erlanger Stadtgrenze schiebt, immer wieder ins Stocken. 60.000 Berufstätige und Studenten pendeln ein und später wieder aus - zu viele mit dem Auto. Manche setzen sich in den Pkw aus Mangel an Alternativen, manche aus Bequemlichkeit. Wem der Arbeitgeber statt einer bezuschussten ÖPNV-Jahreskarte einen kostenfreien Pkw-Parkplatz stellt, schaut sich den Fahrplan für Bus und Bahn vielleicht nicht einmal an oder lässt das Rad gleich im Schuppen.

"Erlangen hat die Infrastruktur für eine 115.000-Einwohner-Stadt, aber den Verkehr einer 200.000-Einwohner-Stadt", sagt Korda. Wie sich das auswirkt, kann man sich regelmäßig ansehen, im Stadtsüden, im Osten, im Westen: zähfließender Verkehr, Stop-and-go, Stau - und das "völlig unberechenbar", wie Korda zugibt und den Verkehrsbelastungsplan vor sich ausbreitet.

Grün sind die am meisten frequentierten Straßen eingefärbt. Je dicker die Markierung desto höher die Belastung. Fünf, sechs Ost-West-Trassen heben sich ab, sie zerschneiden die Kommune regelrecht. Nicht alle dieser Straßen sind ausgebaute Hauptverkehrsadern, zum Leidwesen der Anwohner, die die Autos, die dicke Luft, den Lärm ertragen müssen.

Seit dem Jahr 2011 arbeiten Referent Weber und seine Kollegen an einem Verkehrsentwicklungsplan. Wie gelingt es, Fußgängern mehr Raum zu geben? Wodurch lässt sich der Rad-Anteil weiter erhöhen? Welche Buslinie muss wie verändert werden, dass mehr Fahrgäste zusteigen? Wo kann Durchgangsverkehr verhindert werden?

Vor allem der Pendlerverkehr bereitet den Verkehrsplanern Sorge. Allein auf der B 4 sind zwischen Nürnberg und Erlangen in 24 Stunden mehr als 31.000 Pkw unterwegs. Je mehr dieser Autos gleichzeitig versuchen, über die Südkreuzung an ihr Ziel zu gelangen, desto länger staut sich die Pkw-Schlange zurück - manchmal bis zur A 3-Ausfahrt bei Erlangen-Tennenlohe. Kommt ein Unfall dazu, eine Baustelle oder eine Störung auf der Autobahn ist das Verkehrschaos perfekt.

Was das bedeutet, weiß man auch in den Nachbarstädten nur zu gut. "Wenn es auf einer der Autobahnen eine Störung gibt, dann suppt das schnell bis in die Altstadt hinein", sagt Nürnbergs Baureferent Daniel Ulrich. Die Autobahnen um Nürnberg herum, die alle jeden Tag um die 100.000 Fahrzeuge transportieren müssen, seien die größte Schwäche im Nürnberger Verkehrssystem. Natürlich geht es auch innerstädtisch mal träger voran, heißt es zuweilen zwei, drei Ampelphasen warten. Staus sind jedoch meist auf Probleme auf übergeordneten Straßen zurückzuführen, etwa, wenn es auf der B 4 hakt oder auf dem Frankenschnellweg.

Wer regelmäßig Autobahnen nutzt, kennt die überlasteten Stellen. So summierte sich im Vorjahr der Stau zwischen den A 3-Anschlussstellen Erlangen-Tennenlohe und dem Kreuz Fürth-Erlangen insgesamt auf eine Länge von 557 Kilometern. Der Zeitverlust für die Autofahrer betrug auf dem Abschnitt 129 Stunden, sagt Wolfgang Lieberth vom ADAC. Zum Vergleich: Spitzenreiter der Region mit einer Staulänge von insgesamt 1973 Kilometern war der A 6-Abschnitt Nürnberg/Langwasser-Kreuz Nürnberg-Ost.

Zu den neuralgischen Staustellen zählt Edith Kolarik von der Autobahndirektion Nordbayern aber auch die A 9 vor dem Kreuz Nürnberg-Ost, die A 73 am Kreuz Fürth-Erlangen sowie Nürnberg/Hafen bis Südkreuz.

"Wir haben auf den Autobahnen nicht die Kapazität, die wir benötigen", bedauert Ulrich Schaller, Verkehrsreferent der Industrie- und Handelskammer Nürnberg für Mittelfranken. A 3 und A 6 müssten durchgängig dreistreifig ausgebaut, der Frankenschnellweg endlich kreuzungsfrei werden.

Stadt-Umland-Bahn soll Situation verbessern

Zwar sorgten die bereits ausgebauten Autobahn-Abschnitte und das erweiterte S-Bahn-Netz für eine gewisse Entlastung, und auch die zwischen Nürnberg, Erlangen und Herzogenaurach geplante Stadt-Umland-Bahn werde die Situation für Pendler verbessern. Doch momentan sei die Lage nicht zufriedenstellend.

Flüssiger Verkehr auf Autobahnen und Hauptverkehrsstraßen, weniger Autos in der Stadt – das strebt auch Erlangens Planungsreferent Weber an. "Wir wollen, dass Autos nur noch auf denjenigen Straßen unterwegs sind, wo die Fahrer auch wirklich hin wollen." Wer künftig einen Schleichweg durch eine reine Anwohnerstraße nimmt, wird – auch im Wortsinn – ausgebremst.

Reicht solch ein "sanfter Druck" nicht, so Weber, folgen stärkere Eingriffe, Straßensperren zum Beispiel. Ob es dazu kommt, haben Autofahrer ein Stück weit selbst in der Hand.

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