Club-Kapitän Behrens: "Tradition spielt eine große Rolle"

21.8.2018, 05:58 Uhr
Will Vorbild für Kinder und Erwachsene sein: Hanno Behrens (Kapitän 1. FC Nürnberg).

© Sportfoto Zink/JüRa Will Vorbild für Kinder und Erwachsene sein: Hanno Behrens (Kapitän 1. FC Nürnberg).

NN: Herr Behrens, die ersten Nürnberger Bundesliga-Reisen führen zur Hertha nach Berlin und zu Werder nach Bremen – es geht Richtung Heimat für Sie.

Behrens: Ja, und ich habe auch ein paar Karten für Verwandte und Freunde besorgen müssen. Elmshorn wird ganz gut vertreten sein.

Und der 1.FC Nürnberg ist, seit Sie der Kapitän sind, ein heimlicher Lieblingsverein in Elmshorn?

Behrens: Es gibt schon einige Menschen, die jetzt den Club intensiver verfolgen, viele von ihnen kennen mich ja persönlich schon lange – und bei meinem Vater hängt eine Club-Fahne im Garten.


Sitzplatz-Ultras Folge 1: Hanno Behrens zu Gast im Sportpodcast


Ist Fußball zu Hause ein Familien-Sport? Hat Ihr Vater auch gespielt?

Behrens: Er spielt sogar immer noch, bei den Supersenioren von Holsatia Elmshorn ...

... die sind so super?

Behrens: (lacht) So heißt das eben. Papa hat schon in der Jugend gern gespielt, bis ihn eine Knieverletzung bremste. Noch begeisterter war er von der Leichtathletik, aber für mich war trotzdem Fußball der Sport, mit Freunden, im Verein – und ganz ordentlich geschwommen bin ich eine Zeit lang.

Mit welchen Spezialdisziplinen?

Behrens: Brust, Kraul, im Kraul bin ich heute noch ganz gut, und aus meiner Kindheit gibt es daheim noch ein paar Medaillen, so sieben, acht goldene dürften auch dabei sein. Schwimmen gehörte von klein auf dazu, beim Familien-Urlaub an der Ostsee, oder es ging mit Freunden an die Elbe.

Für Profifußballer ist das kein ganz einfacher Begriff: Aber ist Elmshorn noch Heimat für Sie?

Behrens: Ja, schon. Ich glaube auch, dass ich wieder dort landen werde nach der Karriere – und dass ich dann etwas mehr Urlaub habe als jetzt.

Spüren Sie manchmal Heimweh?

Behrens: Gerade hatte mein Bruder Geburtstag, wir haben telefoniert. Dann hörst du die Freunde im Hintergrund lachen und denkst dir, da wärst du jetzt schon sehr gerne dabei. Aber Heimweh ... nein, das klingt zu sehr, als ob man traurig wäre. Dafür fühle ich mich aber viel zu wohl hier, ich bin glücklich in Nürnberg.

Und die Menschen sind es mit Ihnen. Ist Ihre Popularität manchmal ein Problem?

Behrens: Das nicht, aber in manchen Situationen ist man nicht mehr ganz so frei. Nach dem Aufstieg in die Bundesliga auf die Erlanger Bergkirchweih zu gehen, war vielleicht nicht die beste Idee. Das wurde ein bisschen viel.

Ist es schwierig, im Mittelpunkt zu stehen? Oder ist es manchmal auch schön?

Behrens: Jeder bekommt gerne Komplimente, die gelten ja auch dem Verein, mit dem sich die Leute identifizieren. Und es macht mich stolz zu sehen, wenn Leute mein Trikot tragen, das finde ich schon cool.

Man sieht viele Kinder mit Ihrer Rückennummer und Ihrem Namen auf dem Trikot.

Behrens: Ja, und mit leuchtenden Augen. Das ist ja auch eine Verpflichtung, man will dann ein Vorbild sein. Und wenn Erwachsene, die schon viel erlebt haben beim Fußball, mein Trikot tragen, dann ist das ein großes Kompliment. Und ein Ansporn.

Welche Trikots trugen Sie denn als Kind?

Behrens: Schon die des HSV und natürlich Nationaltrikots. Das Deutschland-Trikot trage ich heute noch, wenn die WM ist.

Wirklich?

Behrens: Klar, da bin ich dann absolut Fan. Ich juble und leide mit, gemeinsam mit Freunden beim Grillen oder im Biergarten.

Und dann müssen Sie, der Profi, alles erklären?

Behrens: Ach, gar nicht so viel. Mein Wort hat schon Gewicht, klar, aber bei der WM muss ich nicht viel erzählen, es macht dann Spaß, wenn jeder über Fußball diskutiert. Es ist Urlaub, man will es gemeinsam erleben.

Hanno Behrens, der Fußball-Romantiker: Das hat man über Sie schon gesagt – als Sie nach dem Aufstieg mit Darmstadt 98 in der zweiten Liga geblieben und zum 1.FC Nürnberg gewechselt sind.

Behrens: Kann schon sein ... Ich liebe Fußball, es ist Leidenschaft, und Tradition spielt für mich dabei eine große Rolle. Ich genieße es, diese Freude mit vielen Fans zu teilen. Klar, von außen klingt es zunächst komisch, aber in Darmstadt war die Wertschätzung nicht so da, der Respekt. Es gab dann ein paar Angebote aus der zweiten Liga, ehe Nürnberg konkret wurde. Das war sehr reizvoll.

Hat Ihnen Ihr Vater zum 1.FC Nürnberg geraten?

Behrens: Er hat es auch als den besten Weg für mich gesehen. Und meine Eltern sind seither oft hier, sie sind sehr gerne in Nürnberg.

Was haben Sie mit Nürnberg verbunden?

Behrens: Ich war zuvor nie da, wusste aber, dass es eine schöne Stadt ist – und eine Fußball-Stadt, den 1.FC Nürnberg kannte ich schon als Kind, die Tradition, die Begeisterung.

Und dann waren Sie vermutlich manchmal doch überrascht, wie der Club die Menschen bewegt?

Behrens: Es ist ein eigener Menschenschlag hier. Die Fans stehen sehr hinter uns, sie sind sehr leidenschaftlich – aber es gibt auch viele, die die Dinge gern schwarzsehen, die am Fußball irgendetwas auslassen. Mein erstes Spiel war gleich ein Aha-Erlebnis, das 3:6 in Freiburg vor drei Jahren, die Debatte mit den Ultras an der Autobahn-Raststätte. Im Verein herrschte damals viel Unruhe. Hier geht es manchmal schnell in eine Richtung – und genauso schnell in die andere.

Und wir Medien sind manchmal ein Teil davon.

Behrens: Aber nicht so extrem, dass man dafür kein Verständnis hätte. Ich finde diesen Satz ganz schön: Jede gute Geschichte hat es verdient, ein bisschen ausgeschmückt zu werden.

Über Sie gab es zuletzt sehr viele Geschichten. Sie sind nicht nur der Kapitän, sondern das Gesicht des neuen 1.FC Nürnberg. Verfolgen Sie das alles?

Behrens: Mich interessiert schon, was über mich geschrieben wird. Als Kapitän bist du ein Aushängeschild des Vereins, da sollte es nicht zu Missverständnissen kommen, manchmal muss man Dinge dann auch etwas geraderücken.

Waren Sie schon immer ein Anführer? Und zum Beispiel Klassensprecher in der Schule?

Behrens: Klassensprecher nicht, aber auch nicht das Kind in der letzten Reihe. Es drängt mich auch nicht zu reden, ich will mit Leistung vorangehen, und untereinander sind wir, Trainer und Mannschaft, offen und kommunikativ.

Verantwortung zu tragen in einem so populären Sport, für einen Verein, der Hunderttausende bewegt, Fußball zu spielen vor so vielen Menschen und für so viele: Gab es Momente, in denen Ihnen diese Dimension bewusst wurde, in denen Sie vielleicht ein wenig erschrocken sind?

Behrens: Man wird da ja langsam herangeführt als junger Spieler, schon in der Jugend, wenn es um die Deutsche Meisterschaft geht. Oder wenn man in Testspielen bei den Profis dabei ist und ein paar tausend Leute zuschauen. Es geht Schritt für Schritt. In Darmstadt, in der dritten Liga, waren es 4000 Zuschauer, dann 10.000, später 15.000 – es war eine Riesenfreude, vor dieser Kulisse zu spielen. Das ist dann eben anders als in der Landesliga. Ich habe das als Geschenk gesehen und hatte den Gedanken: Du kannst zehn Jahre in der dritten Liga spielen und es wird unheimlich emotional sein. Naja, Sie haben es gesagt ... (lächelt) ... das ist er jetzt wieder, der Fußball-Romantiker.

Sie hatten gar nicht unbedingt diesen großen Traum: Bundesliga, Nationalmannschaft?

Behrens: Doch, den Traum hatte ich. Länderspiele, Champions League, was jeder träumt. Aber später kannte ich auch den anderen Gedanken: In die USA zu gehen, mit einem Stipendium zu studieren. Ich war 21 und in der zweiten Mannschaft beim HSV, der Wechsel nach Darmstadt war dann der entscheidende Schritt – es hat dort unheimlich viel Spaß gemacht.

Haben Sie den Gedanken noch? Irgendwann zu studieren?

Behrens: Ich habe es getan, Sportmanagement im Fernstudium, den Abschluss habe ich noch in Darmstadt gemacht. Aber mich noch einmal hinsetzen und lernen – jetzt wär’ das nicht mehr mein Ding, obwohl ich sehr gerne lese.

Was lesen Sie gerade?

Behrens: "Die Tyrannei des Schmetterlings" von Frank Schätzing.

Romane sind Ihre bevorzugte Lektüre?

Behrens: Ja. Ken Follett, wissenschaftliche Romane, historische Romane, die einen spannend verpackten Einblick in Geschichte geben, einen Bezug zum Leben haben.

Damit wir trotzdem noch zum Klischee kommen: Natürlich spielen sie wie jeder Profi auch gerne am PC.

Behrens: Fifa spiele ich nicht, aber sonst schon relativ viel, ja. E-Sport wird ja ein immer größeres Thema, auch bei den Bundesligavereinen.

Aber kann man das ernsthaft als Sport bezeichnen?

Behrens: Wenn Schach ein Sport ist ... Man spielt mit intelligenten Menschen, muss kreativ sein, schnell reagieren, die Sprache beherrschen.

Und Kinder verbringen noch mehr Zeit am Computer.

Behrens: Das Thema hat zwei Seiten. Wenn man jeden Tag stundenlang Fußball spielt, ist das keine Sucht. Wer Kreativität am Computer trainiert, tut angeblich nichts Vernünftiges. Ich denke, man kann aus anspruchsvollen Spielen viel lernen für eine digitale Welt, aber man muss einen Mittelweg finden – und rausgehen, sich bewegen, reden, unter Menschen sein, dabei lernen.

Wer je Fußball gespielt hat, egal auf welchem Niveau, hat dabei tatsächlich viel gelernt: Individualität und Teamgeist, Kreativität und Athletik, Durchsetzungsvermögen, aber auch Opfersinn. Ist dieses Spiel noch eine Lebensschule?

Behrens: Das denke ich auch, ja. Man lernt, Individualität ins Team einzubringen, ein gemeinsames Ziel zu entwickeln und zu verfolgen, sich durchzusetzen, aber auch den Umgang damit, ungerecht behandelt zu werden – von Schiedsrichtern, von Fans. Ich sehe es wie Sie, ich habe beim Fußball viel fürs Leben gelernt.

Jetzt, Herr Behrens, lernen Sie die Bundesliga kennen, am Samstag erstmals in Berlin. Haben Sie überhaupt schon einmal im Olympiastadion gespielt?

Behrens: Nein, ich kenne es nur als Zuschauer.

Wie vermutlich die meisten anderen Stadien auch?

Behrens: (überlegt) Gegen den VfB in Stuttgart habe ich gespielt, in Hannover. Aber ansonsten – ja, es wird alles neu sein. Dortmund, Schalke, ich freue mich sehr darauf.

Treffen Sie auf Spieler, die einmal Vorbilder waren?

Behrens: Bastian Schweinsteiger war das, als ich jünger war. Richtige Vorbilder in diesem Sinne hat man in meinem Alter eher nicht mehr. Aber Thomas Müller ist ein großartiger Fußballer, von der Spielart und Einsatzfreude her sind wir uns vielleicht sogar etwas ähnlich, und er ist ein cooler Typ. Ich freue mich, jetzt gegen ihn zu spielen.

Für unsereiner wäre es immer noch ein Traum, einmal in Berlin, Dortmund oder München auf dem Platz zu stehen. Für Sie ist es jetzt eine normale Profi-Herausforderung, oder?

Behrens: Normal ist es nicht, diese Stadien, die Kulissen. Es wird sehr kribbeln, aber mit dem Anpfiff blendet man es aus. Dann bist du Profi.

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