Driller: "Es gibt immer jemanden, der schimpft"

16.5.2013, 12:28 Uhr
Driller:

© Roland Fengler

Herr Driller, verfolgen Sie, was rund um den Club passiert?

Martin Driller: Ja, natürlich. Ich wohne ja auch immer noch in Nürnberg. Ich gehe zwar nicht mehr ins Stadion, außer wenn ich für das Fernsehen mal als Experte eingeladen werde. Aber ich bin immer noch emotional dabei, genauso wie ich auch mit meinen anderen Ex-Klubs, dem FC St. Pauli und dem BVB, mitfiebere. Ich habe guten persönlichen Kontakt mit Christian Möckel (Chefscout beim FCN, die Red.). Und auch wenn ich Martin Bader über den Weg laufe, unterhalten wir uns ganz normal. Dazu spiele ich immer wieder mal in der Traditionself des Club.

Tradition ist ein gutes Stichwort. Der Club lebt von seiner Tradition und den treuen Anhängern. Nach den letzten Spielen äußerten einige ihr Unverständnis über die schwachen Leistungen. Haben Sie Verständnis dafür?

Martin Driller: Klar hat man da Verständnis. Das Derby ist nun mal etwas besonderes, das darf man nicht verlieren. Wahrscheinlich hätte man aus Fanperspektive sogar absteigen können, wenn man beide Derbys gewonnen hätte. Ich habe nur bei Vereinen gespielt, die bekannt für ihre leidenschaftlichen Anhänger sind, daher weiß ich wie sich die Fans fühlen. Die Mannschaft hat unter Michael Wiesinger eine tolle Serie hingelegt, sich dann aber deutlich hängen lassen. Und das gefällt den Anhängern natürlich nicht, keine Frage. Auch als ich damals für den Club gespielt habe, war das schon so. Auch da ging es manchmal hoch her.

Erzählen Sie...

Martin Driller: Wir haben mal das letzte Spiel vor der Winterpause in Mönchengladbach verloren. Schon vorher stand fest, dass einige aus dem Team direkt im Anschluss zusammen zum Skiurlaub fahren wollen, darunter auch ich. Dummerweise kamen wir zeitgleich mit den Fans in Nürnberg an und wollten dann - mit Skigepäck bewaffnet - direkt in den Urlaub starten. Die Fans haben das gesehen und sich mächtig darüber aufgeregt. Die dachten, wir hätten einzig unseren Urlaub im Kopf und, dass wir uns im Spiel nur nicht verletzen wollten.

Und dann?

Martin Driller: Dann haben wir uns gestellt und mit den Leuten bis in die frühen Morgenstunden diskutiert. Das ist leider recht schwer zu erklären, nach einer Niederlage fehlen einem die Argumente. Die Fans waren lange unterwegs, hatten vielleicht zwei oder drei Bier getrunken und waren noch dazu in einer Gruppe - dementsprechend diskussionsfreudig waren sie. Aber wir wussten, dass wir das Gespräch suchen müssen und nicht einfach abhauen können. Der direkte Kontakt ist ganz wichtig in solchen Fällen. Miteinander Reden bringt mehr als übereinander zu reden.

Raphael Schäfer und Hanno Balitsch haben zuletzt über die Medien ihren Unmut kundgetan.

Martin Driller: Und genau das ist das was ich meine. Irgendeiner im Fan-Pulk fängt an, daraufhin werden Plakate in die Höhe gehalten, die gegen die Mannschaft gehen. Und nach dem Spiel stellen sich die Spieler vor die Kamera und beschweren sich. Das ist von beiden Seiten falsch aufgezogen. Da muss einfach der direkte Kontakt, der direkte Dialog hergestellt werden. Das sollte nicht über Plakate oder TV-Interviews passieren.

Driller:

© Horst Linke

Wie genau soll das aussehen?

Martin Driller: Man könnte sich regelmäßig treffen. Und das auch, wenn es gut läuft. Dann stellt man eine Kiste Bier dazu und alles ist gut. Ich erinnere mich noch an ein solches Treffen, als wir uns damals als Mannschaft in einer Sporthalle mit 2000 Fans zusammengesetzt und diskutiert haben. Von 14 bis 18 Uhr standen wir Rede und Antwort, das war anstrengend, aber sehr hilfreich. Ich selber habe auch viele Streitigkeiten gehabt, vielen hat mein Gesicht einfach nicht gefallen. Trotzdem war das eine gute Sache. Die Kommunikation zwischen Mannschaft und Fans muss einfach direkt erfolgen.

Wie sehr beeinflusst es eine Mannschaft, wenn ihre eigenen Fans nicht mehr voll und ganz hinter ihr stehen?

Ich würde gar nicht sagen, dass das einen negativen Einfluss hat. Es gibt eh in jedem Stadion immer jemanden, der über dich schimpft. Aber andersherum kann das natürlich schon Prozentpunkte rauskitzeln, wenn man positiv unterstützt wird. Wenn die Fans sich positiv engagieren, die Mannschaft positiv unterstützen.

Wie wird so ein Thema innerhalb der Mannschaft gehandhabt?

Martin Driller: Natürlich ist das ein Thema. Wir saßen auch oft in der Kabine und haben gesagt "so ein Scheiß, was da draußen gerade abgeht". Viel lieber haben wir uns natürlich über das Positive unterhalten: "Schaut mal, was da draußen los ist, das Stadion ist voll und die Stimmung ist super." Das macht allen mehr Spaß.

Wie wichtig sind Fans grundsätzlich im modernen Fußball?

Martin Driller: Gerade Vereine wie der Club, der BVB oder Schalke leben und profitieren doch von dieser Atmosphäre. Das Besondere bei Traditionsvereinen ist doch dieses Familiäre. Da vererbt der Großvater seinem Enkel seine Dauerkarte und der vermacht sie irgendwann weiter. Ganze Generationen sind so fest mit dem Verein verbunden. Das ist etwas ganz Tolles, was die Kultklubs ausmacht. In Hoffenheim kann sich jeder, der gerade Lust, hat eine Karte kaufen. Das ist ein ganz anderes Publikum. In Düsseldorf waren 8000 Nürnberger Fans dabei, das ist richtig gut - vorausgesetzt sie unterstützen ihr Team wirklich positiv.

Negativ waren die Vorkommnisse nach Schlusspfiff in der Düsseldorfer Altstadt. Hat der Club ein Problem mit gewaltbereiten Fans?

Martin Driller: Das kann ich nicht beurteilen, weil ich nicht dabei war. Das müssen die Fanbeauftragten beantworten, ob das ein einmaliger Ausnahmezustand war, oder ob das immer die gleichen Schläger sind, die da auffällig werden.

Driller:

© Stefan Hippel

Bei Facebook gründeten einige Club-Fans eine Gruppe, in der sie sich gegen Gewalt im Fußball aussprechen. Sie sind ebenfalls Mitglied der Gruppe.

Martin Driller: Ich wurde eingeladen und habe keine Sekunde gezögert, der Gruppe beizutreten. Ich habe ein offizielles Facebook-Profil, und bin dort ebenso aktiv wie jeder andere auch. Wenn ich den Eindruck habe, dass das eine gute Sache ist, unterstütze ich das gerne. Genauso habe ich auch kein Problem damit, Freunde zu löschen und Likes zu verweigern oder entfernen wenn mir etwas nicht passt.

Abschließend: Wie fällt ihr sportliches Fazit der Saison aus?

Martin Driller: Ich bin eigentlich sehr zufrieden, Michael Wiesinger hat das wirklich gut gemacht. Mir hat aber gefehlt, dass man nach dem sicheren Klassenerhalt nicht mit der gleichen Konsequenz weitergespielt hat. Die Zufriedenheit war zu groß, der ein oder andere träumte wohl schon von Europa. Aber in den vier Spielen vor Düsseldorf wurde das verschenkt. Und das eben auf eine Art und Weise, die für diese Unzufriedenheit bei den Fans gesorgt hat. Da hätte man sich einiges ersparen können.

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