FCN: Nur noch ein mittelmäßiger Zweitligist

10.2.2015, 05:58 Uhr
FCN: Nur noch ein mittelmäßiger Zweitligist

© Wolfgang Zink

Die Busse kamen aus allen Teilen Nordbayerns, aus Diespeck, aus Lauf. Hinter den Scheiben sah man: die pure Verzweiflung. Fans, die ihren Kopf schüttelten, fassungslos waren, einige hatten sogar Tränen in den Augen. Über 4000 wollten ihren Club sehen, zum Start der Restrückrunde unterstützen. Es trieb sie die Hoffnung an, dass jetzt vielleicht doch alles wieder gut werden könnte nach einem mehrmonatigen Albtraum, endlich. Der Abstieg, der Umbruch, die vielen Demütigungen in der Fußball-Provinz.

Am Sonntag setzte es die nächste. 1:2 beim FSV Frankfurt. Gegen den kleinen Nachbarn der Eintracht hat der große 1. FC Nürnberg nicht einen Punkt geholt in dieser Saison. In der Vorrunde hatten sie nach ähnlichem Muster eine 0:1-Niederlage kassiert. Mehr Zweikämpfe verloren als gewonnen, ein Torwartfehler. Die Geschichte wiederholt sich. „Die Art und Weise, wie wir das Spiel nicht angenommen haben, hat schon Fragen aufgeworfen“, meinte René Weiler, „das war ernüchternd.“

Mit 27 Zählern findet sich der Club aktuell im Niemandsland des Zweitliga-Feldes wieder und wird, sollte es in den nächsten Wochen nicht ein Fußball-Wunder nach dem anderen geben, dort auch hängen bleiben. Der 20. Spieltag brachte eine tiefgreifende Zäsur, die sich abgezeichnet hatte. Schon Mitte August, nach dem peinlichen 1:5 im Derby bei der Spielvereinigung Greuther Fürth, erkannte nicht nur diese Zeitung eine gewaltige Diskrepanz „zwischen Anspruch und Wirklichkeit“, wie die Überschrift eines Kommentars lautete. Daran hat sich bis heute nicht viel geändert.

Bei der Zusammenstellung des Kaders ist im Sommer wohl doch mehr schiefgelaufen, als die dafür Verantwortlichen zunächst wahrhaben wollten. Die Fehler von damals dürften jedenfalls nicht von heute auf morgen zu korrigieren sein, wenn überhaupt. Der neue Trainer hatte bereits im alten Jahr „gewisse Baustellen erkannt, die werden wir nicht abarbeiten in den nächsten Tagen, in den nächsten Wochen, dafür braucht es Zeit“, so Weiler gestern, „ich sehe einfach, dass wir noch einen längeren Weg vor uns haben.“

Auf Augenhöhe mit Heidenheim

Wie lang der Weg tatsächlich noch sein wird, ist derzeit nicht absehbar. Der Status quo gibt kaum Anlass zu Optimismus, die kurz- und mittelfristigen Perspektiven sind eher trostlos. Weil sich der Club mit seiner ganzen Tradition zwar nach wie vor anfühlt wie ein Erstligist, in der aktuellen Besetzung aber höchstens ein durchschnittlicher Zweitligist ist. „Die Vergangenheit ist momentan nicht die Realität“, mahnt auch Weiler; die Tabelle, die nur selten berauschenden Leistungen, „da muss man sagen, dass man dort ist, wo man hingehört, auch wenn es viele nicht wahrhaben wollen“. Also ungefähr auf Augenhöhe mit Heidenheim und etwas über Sandhausen und Aalen.

Dass es eines (fernen) Tages wieder aufwärts gehen könnte mit dem Traditionsverein, ist zwar nicht auszuschließen, eine Garantie dafür gibt es aber nicht. Die meisten Profis sind auch nach dem 30. Juni vertraglich an den 1. FC Nürnberg gebunden, was einen gezielten Neuaufbau nicht leichter werden lässt. Jan Polak etwa ist bereits 34, er kennt den Europapokal, er hat mit Tschechien an einer WM teilgenommen. Und soll im Herbst seiner Karriere noch lernen, wie Zweitliga-Fußball funktioniert. Auch Talente wie Niclas Füllkrug, Patrick Rakovsky oder Alessandro Schöpf tun sich schwer damit, den Ansprüchen durchweg gerecht zu werden.

Wo das alles hinführen soll, ist eine gute Frage — die selbst ihr aller Vorgesetzter nicht beantworten kann. In seinem Aufgebot hat er „viele Spieler, die noch nicht den Beweis erbracht haben, dass sie Erste Liga können“, sagt Weiler, selbst in der Zweiten stoßen einige erstaunlich schnell an ihre Grenzen. Auch die biederen Frankfurter mussten am Sonntag eigentlich nur viel laufen und energisch sein, um sich Respekt zu verschaffen.

„Ich gebe vielen Spielern schon die Perspektive, dass sie auch in diesem Bereich Lernfortschritte erzielen können“, sagt Weiler, er meint Härte und die grundsätzliche Bereitschaft, sich behaupten, durchsetzen zu wollen. „Recht wenig Gegenwehr“ hat Weiler von seiner Mannschaft gesehen, zu wenig, um erfolgreich sein zu können am Bornheimer Hang. Was sich möglicherweise auch mit Selbstüberschätzung erklären lässt. „Die Qualität ist da, aber die Qualität ist nicht nur, dass ich Polak heiße oder Schöpf oder Pinola“, so nähert sich der Kapitän dem offensichtlichen Mentalitätsproblem. Die Realität heißt: graues Mittelmaß. „Wir gehören da hin, wo wir jetzt stehen“, findet auch Polak.

Die zumindest ehrliche Einsicht kommt nicht von ungefähr, sondern zwangsläufig; „Anschauungsunterricht in Spielform“ nannte Weiler die 90 Minuten von Frankfurt, nun heißt es, die Lehren zu ziehen. Eine davon ist besonders schmerzhaft für alle, die noch am Sonntag, auf der Fahrt nach Frankfurt, von schöneren Zeiten mit ihrem 1. FC Nürnberg träumten. Das, sagt Weiler, seien „Sphären, die zurzeit nicht kongruent sind mit den Aktualitäten, mit dem Ist-Zustand“. Der weit entfernt ist vom Soll-Zustand vergangener Sommer-Tage.

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