Findungsphase in Freak City: Bamberg sucht sich selbst

16.11.2018, 15:35 Uhr
Selbst in Bodenlage ein großartiger Basketballer: Tyrese Rice.

© Sportfoto Zink / HMI Selbst in Bodenlage ein großartiger Basketballer: Tyrese Rice.

Etwas mehr als 18 Minuten dauert es an diesem Mittwochabend, dann lodert das Feuer in der sogenannten Frankenhölle doch wieder sehr ordentlich. Bambergs Basketballer fühlen sich von den Schiedsrichtern unfair behandelt, ihre Anhänger untermalen das mit einem lauten Pfeifkonzert, spät ist die Arena an der Forchheimer Straße doch noch aufgewacht. 22 Minuten später steht trotzdem eine knappe 85:88-Niederlage gegen Hapoel Jerusalem, nicht die erste in dieser Champions-League-Saison.

Zwei wichtige Erkenntnisse haben sie bei Brose Bamberg in der vergangenen Spielzeit gewonnen: Selbst mit dem höchsten Spieleretat der Vereinsgeschichte war es nicht möglich, in der Euroleague, dem wichtigsten europäischen Vereinswettbewerb, bis ins Viertelfinale vorzudringen. Und - das hat sie bei Deutschlands selbst ernanntem Basketballherz noch ein bisschen mehr getroffen - der enorme finanzielle Aufwand war auch keine Garantie dafür, den Meistertitel in der Bundesliga zu holen. In den Jahren zuvor hatten sie diesen ja scheinbar abonniert.

Es braucht einen Atlas

Das konnte vor allem Michael Stoschek, dem Chef des Aufsichtsrates und größten Geldgeber, nicht gefallen. Er erwartet, dass auch ein Sportverein wie ein Wirtschaftsunternehmen funktioniert, also drückte er konsequenterweise den Resetknopf. Seitdem treten sie nicht mehr in der Euroleague an, sie haben das Team verjüngt, Deutschlands Basketballherz schlägt jetzt deutlich langsamer.

Die Partie gegen den israelischen Spitzenklub aus Jerusalem war das erste Heimspiel in der Champions League, bei dem die Arena nahezu ausverkauft war. Der Wettbewerb ist bislang nur vom Namen her erste Wahl. Während Hapoel mit dem früheren NBA-Posterboy Amar’e Stoudemire eine zumindest phasenweise imposante Sehenswürdigkeit mitbrachte, sind andere Konkurrenten eher etwas für Kenner.

Waren in der Euroleague noch reihenweise klangvolle Namen zu Gast wie ZSKA Moskau, Panathinaikos Athen oder Real Madrid, muss sich das Publikum nun mit Klubs wie Dijon, Lietkabelis oder dem Madrider Vorortverein Fuenlabrada zufriedengeben. Wer da nicht den Überblick verlieren will, ist gut beraten, sich mit einem Atlas oder Google Maps zu behelfen.

Bagatskis' Boys mangelt's (noch) an Konstanz  

Dass diese Mannschaften aber auch Basketball spielen können, haben sie in Bamberg schnell und schmerzhaft festgestellt. Drei Siege hat die Mannschaft von Ainars Bagatskis bislang geholt, dreimal ging sie aber auch als Verlierer vom Parkett. Die Partie gegen Montakit Fuenlabrada ging durch einen denkbar kuriosen Wurf mit 88:89 verloren, auch dem Titelverteidiger AEK Athen waren sie unterlegen, gegen Hapoel Jerusalem waren es wiederum die Bamberger, die sich mit einem denkbar kuriosen Wurf beinahe noch in die Verlängerung gerettet hätten. Doch der Ball, von Tyrese Rice auf die Reise geschickt, schaute lediglich in den Korb, fiel aber nicht durch die Reuse.

Der 1,85 Meter große Point Guard ist der Anführer des aktuellen Jahrgangs, Rice durfte sich in der Euroleague bereits MVP nennen, der 31- Jährige hat mehrere Titel gewonnen und ist immer noch eine Klasse für sich. Am Mittwochabend gelang ihm aber nur wenig, acht Punkte und ein Assist sind eine magere Ausbeute für einen, der normalerweise fast 20 Punkte im Schnitt auflegt und mehr als fünf Vorlagen pro Spiel gibt. Zwar sprangen Augustine Rubit (26) und Stevan Jelovac (20) ein, doch das reichte nicht und verdeutlichte, das Bagatskis noch viel Arbeit vor sich hat.

Richtungsentscheide durch Rice 

"Wir müssen ein Team sein, bei dem jeder etwas beiträgt", sagte der Lette nach der Pressekonferenz am Mittwoch. Bislang ist Bamberg relativ berechenbar, die jungen Spieler können vor allem in der Champions League noch zu selten tragende Rollen übernehmen, hinzu kommen immer wieder Verletzungssorgen. Bryce Taylor steht nach fast einem Jahr Pause wieder auf dem Spielberichtsbogen, braucht aber noch Zeit, zwischendurch fiel mit Nikos Zisis, Patrick Heckmann, Arnoldas Kulboka, Elias Harris und William McDowell-White eine ganze Formation aus, zuletzt erlitt Louis Olinde einen Bänderriss.

Vor allem in der Verteidigung agiert Bamberg noch zu naiv, in der Offensive steht und fällt das Spiel mit der Leistung von Tyrese Rice. Am Sonntag (15 Uhr) streiten sie sich mit Alba Berlin um den zweiten Platz in der Bundesliga, ein Sieg würde das Herz sicher wieder schneller schlagen lassen.

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