Fußballjahr 2017: Der Club darf hoffen, Fürth muss bangen

30.12.2017, 13:25 Uhr
Erst war das Kleeblatt vor dem Club, dann der Club vor dem Kleeblatt. In den letzten zwölf Monaten haben sich die Perspektiven beider Vereine drastisch auseinander entwickelt - nicht erst seit dem Derby im September.

© Sportfoto Zink / WoZi Erst war das Kleeblatt vor dem Club, dann der Club vor dem Kleeblatt. In den letzten zwölf Monaten haben sich die Perspektiven beider Vereine drastisch auseinander entwickelt - nicht erst seit dem Derby im September.

Fragt man einen Club-Fan nach dem Highlight des Jahres 2017, dann kommt mit Sicherheit diese Antwort wie aus der Pistole geschossen: der Derbysieg! Schließlich trug dieses 3:1 am 24. September fast historische Züge, war es doch der erste Nürnberger Erfolg im Fürther Ronhof seit fast vier Jahrzehnten. Knapp 38 Jahre – 7293 Tage, um genau zu sein – mussten sie auf diesen Tag warten. Entsprechend ausgelassen haben die Club-Profis gefeiert. In des Gegners Stadion posierten sie stolz und ausgelassen mit Schals um den Hals, auf denen die Botschaft des Tages stand: "Die Nummer 1 in Franken." Und ein paar Kilometer weiter östlich, auf dem Nürnberger Altstadtfest, genossen sie den imageträchtigen Erfolg im 263. Frankenderby in vollen Zügen. "Denn das haben sich die Jungs verdient", konstatierte damals ein ebenfalls überglücklicher Trainer Michael Köllner.

Für den erst ein halbes Jahr zuvor inthronisierten Chefcoach schloss sich da der Kreis: Ein 0:1 an gleicher Stätte beendete die achtmonatige Amtszeit seines Vorgängers Alois Schwartz, der René Weiler beerbt hatte. An jenem 5. März verabschiedete sich der 1. FCN endgültig ins graue Mittelmaß der Zweitligatabelle – und so trat die Mannschaft auch auf dem Rasen auf: ohne Spielidee, ohne Leidenschaft. Schwartz, aus Sandhausen für eine sechsstellige Ablöse losgeeist, hatte es nicht geschafft, ihr eine Handschrift zu verpassen.

Unter Köllner, bis dato NLZ-Leiter und Coach der U21 in der Regionalliga, spielten die Nürnberger die Runde mit Anstand zu Ende. Sie landeten auf Rang zwölf und damit vier Plätze hinter dem Erzrivalen SpVgg Greuther Fürth – das hatte es zuletzt vor 53 Jahren gegeben! Auch die emotionale Verabschiedung des langjährigen Kapitäns und Torhüters Raphael Schäfer, zu der zehn Jahre nach dem DFB-Pokalsieg gegen Stuttgart auch viele Weggefährten erschienen waren, konnte die Saison nicht wirklich retten.

Längst hat Köllner seine Schützlinge auf Kurs gebracht, mit Teamgeist und taktischer Raffinesse ausgestattet. "Wir haben eine harmonische, reibungslose Vorrunde hinter uns", bilanzierte der Oberpfälzer. Der Club überwintert mit 33 Punkten auf dem Relegationsplatz, nur einen Zähler hinter Spitzenreiter Düsseldorf. Mit sechs Siegen führt er die Auswärtstabelle an, Stürmer Mikael Ishak grüßt mit zwölf Treffern von der Spitze der Torjägerliste. Auch wenn die Bilanz in der heimischen Spielstätte, die seit dem Sommer Max-Morlock-Stadion heißt, ausbaufähig ist (vier Sieg in neun Spielen), erscheint die Rückkehr in die Bundesliga nach vier überwiegend mageren Saisons realistisch. Vor 38 Jahren, nach dem letzten Sieg in Fürth, hat es übrigens auch geklappt.

Und auf der anderen Seite der Stadtgrenze...

Jena, Halle, Meppen oder Lotte: Die Reiseziele könnten sich im zweiten Halbjahr 2018 für die SpVgg Greuther Fürth entscheidend verändern. Das Kleeblatt hat eine wilde Achterbahnfahrt mit personellen Rochaden hinter sich, bei der sich Anspruch und Wirklichkeit immer weiter auseinanderentwickelten. Der Spielvereinigung droht der Abstieg aus der zweiten Liga und damit einhergehend eine radikale Zäsur.

Drehen wir das Rad kurz zurück: Nachdem Janos Radoki im November 2016 von Stefan Ruthenbeck übernimmt, ist damit auch ein Kurswechsel verbunden. Vom Spielerversteher Ruthenbeck, bei dem sich nicht wenige Profis ein etwas zu ausgeprägtes Wohlfühlklima geschaffen hatten, ging es zum Schleifer – schon als U19-Trainer im Ronhof eilte Radoki der Ruf voraus, nicht sehr zimperlich mit seinen Schützlingen umzugehen. Gleichwohl zweifelte niemand an den Fähigkeiten des langjährigen Fürther Profis. Ein ausgeprägter Fußball- Sachverstand wurde Radoki auch noch attestiert, als er knapp zwölf Monate später wieder gehen musste.

Auslöser dafür war die sportliche Talfahrt. Bereits in der Rückrunde lief es nicht mehr rund, Fürth verlor mehr Spiele, als es gewann. Und nach vier Pleiten in den ersten vier Spielen waren menschliche Differenzen zwischen Trainer und Mannschaft nicht mehr geheim zu halten. Große Teile des Kaders wollten nicht mehr mit Radoki zusammenarbeiten. In der Öffentlichkeit war schnell von einem Spieler-Aufstand die Rede. Den soll es aber explizit nie gegeben haben – versichern zumindest alle "Nicht- Beteiligten". Auf Strukturen um Führungsspieler, Häuptlinge und Indianer kann die Mannschaft nicht zurückgreifen. Das Gefüge muss sich unter Neu-Trainer Damir Buric erst entwickeln. Mit dem ehemaligen Erstliga-Profi holt Fürth in den folgenden 13 Partien 17 Punkte, überwintert aber auf Platz 17. Die Zeichen stehen nach der schlechtesten Vorrunde seit 1982/83 auf Abstieg. Sportdirektor Ramazan Yildirim wird entlassen, dafür der verlorene Sohn Rachid Azzouzi zurück in den Schoß der Kleeblatt-Familie geholt.

Es ist ein neuer Impuls. Man will nichts unversucht lassen, wie auch immer in der Liga zu bleiben. Dabei lässt die ordentliche Bilanz im Ronhof noch Hoffnung aufkommen. Dagegen ist Fürth in fremden Stadien nur ein Punktelieferant. "Eine Katastrophe" nennt Präsident Helmut Hack die Auswärtsauftritte. Für die neue Haupttribüne erntet der Verein Lob von allen Seiten, bei einem Abstieg wäre aber auch die Finanzierung des neuen Ronhofs ein Klotz am Bein.

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