HCE: Aufsichtsratsboss Bissel attackiert die Stadt Erlangen

10.10.2014, 08:48 Uhr
Leidenschaftlicher Kämpfer: Carsten Bissel hat am Donnerstag deutlich Stellung zum Umzug nach Nürnberg bezogen. (Archivbild)

© Sportfoto Zink / MaMe Leidenschaftlicher Kämpfer: Carsten Bissel hat am Donnerstag deutlich Stellung zum Umzug nach Nürnberg bezogen. (Archivbild)

Die Erlanger Handballhistorie ist so reich an Geschichten, dass sie aufgeschrieben in ein dickes, großes Buch passen würde. Wunderschöne Kapitel gäbe es darin, über den märchenhaften Aufstieg in die Bundesliga, über Deutsche Meisterschaften der Jugend, über Stadtderbys in der Hiersemann-Halle, über Freude, Tränen, und großartige Abende vor einem einzigartigen Publikum in der Schillerstraße.

Man müsste aber auch von unbezahlten Rechnungen lesen, von drohenden Insolvenzen, von Abstieg und dem Abschied engagierter Personen, die den Erlanger Handball wie auch immer prägten — auf und neben dem Spielfeld.

Auch in diesen Tagen schreibt der Handball-Club weiter, sogar an einer neuen Episode, die eine so bahnbrechende Entwicklung nimmt, dass sie gar nicht zu diesem dicken, staubigen Märchenbuch passen will. Sie gehört eigentlich in ein modernes, digitales Lesegerät; Erlangens Handball lockt neuerdings 3000 Zuschauer an, nicht mehr nur in Büchenbach, sondern sogar in Garmisch-Partenkirchen wohnen Dauerkartenbesitzer, Profis kommen, um sich über den HCE ins deutsche Nationaltor zurückzukämpfen, Erlangen spielt gegen Champions-League-Sieger und Weltstars, zu Auswärtsspielen geht es nicht mehr per Fahrgemeinschaft, sondern manchmal mit dem Flugzeug.

Nur: In Erlangen spielt diese Geschichte gar nicht mehr. Sie findet in Nürnberg statt, in einer Multiplexarena, in der ein Hightech-Videowürfel über dem Spielfeld hängt.

Dabei hat die Identität dieses Vereins ihre Wurzeln weiterhin in Erlangen, das haben sie auch nicht vergessen, man hat deshalb eine Ausnahmregelung für die Hiersemann-Halle erkämpft — obwohl sie keineswegs bundesligatauglich ist.

Für drei Spiele, darunter die Auftaktpartie gegen Lübbecke, darf der HCE seine Geschichte dort weiterschreiben, wo das Kampfgericht in einer Garage für Turngeräte sitzt und Weichbodenmatten an der Wand lehnen. „Es ist wichtig für uns, in Erlangen zu spielen“, stellt auch Carsten Bissel immer wieder klar: „Unser Herz schlägt hier.“

Am Donnerstag aber, da sprach der Vorsitzende des Aufsichtsrats im Presseraum der Nürnberger Arena plötzlich ganz andere Töne. 14 Minuten lang redete sich Bissel beinahe in Rage, ja, man hätte fast ein eigenes Kapitel in dieses Geschichtsbuch geschrieben, Überschrift: „Die Wutrede“.

Hallenmiete soll massiv steigen

Auslöser für die Verärgerung ist ein Antrag der Linken im Erlanger Stadtrat, dass die Hallenmiete fortan nicht mehr wie in den vergangenen Jahrzehnten nach dem Gebührensatz für Vereine berechnet werden solle, sondern nach dem für kommerzielle Veranstaltungen. Damit würde laut Bissel die Miete schlagartig „um das Zehnfache“ steigen. Doch nicht nur das: Seit Jahren fühlt sich der Verein von der Stadtführung nicht ausreichend unterstützt. „Das ist alles andere als partnerschaftlich“, so Bissel. „Wir steigen auf — und man sagt nicht etwa: Vielen Dank! Was können wir für dich tun, Aushängeschild? Sondern: Ihr spielt jetzt Bundesliga, also habt ihr sicher mehr Geld, dann sollt ihr gefälligst auch mehr bezahlen.“

Das will sich der Verein, so der Aufsichtsratsvorsitzende, nicht mehr bieten lassen. Vor allem, weil die Ausweichspielstätte in Nürnberg hervorragend angenommen wird. „Die Arena“, sagt auch Sebastian Preiß, der Kreisläufer, „ist für uns zu einer echten Heimspielstätte geworden.“ Alle Bedenken wurden rasend schnell zerstreut, sportlich wie wirtschaftlich.

„Ich sage trotzdem weiterhin ja zu Erlangen“, versichert Bissel, „aber derzeit spricht zu viel dagegen, als dass wir dort spielen möchten.“

Der HC wurde nämlich von einer saftigen Strafzahlung überrascht. Die Liga hatte nach dem Auftaktspiel einen Sonderbericht über die Hiersemann-Halle erstellt. „Jedes weitere Spiel dort würde uns dort eine vierstellige Summe Strafe kosten“, verrät Stefan Adam, der HCE-Geschäftsführer. Zudem müsste man zusätzliche Auflagen erfüllen, die Zuschauer-Kapazität damit weiter reduzieren.

Carsten Bissel initiierte deshalb eine Umfrage unter Dauerkarteninhabern und Sponsoren, ob man sich das wirklich antun wolle. Die Hälfte antwortete. Das Ergebnis: „93,7 Prozent haben sich für Nürnberg ausgesprochen.“ Die Punktspiele gegen Melsungen (19. November) und Bietigheim (6. Dezember) finden jetzt ebenfalls in der Arena statt.

„Das ist allerdings keine Entscheidung über die langfristige Zukunft des HCE“, bremst Bissel. Hoffnungen, in seine Heimatstadt zurückzukehren, hat der Verein weiterhin — sofern die oft versprochene, neue Sporthalle gebaut wird. Dann würde ein weiteres Kapitel für dieses Buch geschrieben. Und das würde dann wieder dort spielen, wo einst das wunderschöne Sportmärchen seinen Anfang nahm.

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