HCE glaubt wieder an den Klassenverbleib
17.4.2015, 10:45 UhrAls die letzten Sekunden von der Uhr liefen, diese 3908 Menschen, die an einem Mittwochabend in die Arena am Kurt-Leucht-Weg zum Handball gekommen waren, auf ihren Plätzen standen und begeistert klatschten, da griffen sich auch unten, auf dem knallblauen Spielfeld, die Erlanger Spieler einfach jeden, den sie erwischen konnten.
Die Bankspieler herzten sich, die Link-Brüder lagen sich in den Armen, Nicolai Theilinger, erst wenige Monate ein Erlanger, aber mit seiner Dynamik schon nicht mehr wegzudenken, schloss die Augen und ballte stumm die Fäuste. Ole Rahmel, der frisch gebackene Nationalspieler, schnappte sich Nikolas Katsigiannis, den Torhüter, zum Jubeln.
Gegentor - na und?
Doch der grinste nur kurz und schubste Rahmel fort - er musste ja noch einmal ran, für einen Siebenmeter nach Ablauf der Spielzeit. Die nächste Sensation, den Heimsieg über den großen HSV Hamburg, der den HCE im Hinspiel noch mit zehn Toren Unterschied gedemütigt hatte, brachte dieser allerletzte Wurf nicht mehr in Gefahr. Er machte aus dem 34:30 ein 34:31. Na und?
"Wir haben uns vor dem Spiel gesagt: Was haben wir denn noch zu verlieren?", verriet Oliver Hess, der Linkshänder, woher all die Lockerheit in diesem immens wichtigen Spiel denn plötzlich gekommen war. "Natürlich wussten wir, dass es bei einer Niederlage endgültig vorbei ist. Aber wir haben uns vorgenommen, noch mal alles reinzuhauen was wir haben, ohne Angst da rauszugehen."
Das war eindrucksvoll gelungen, der HC Erlangen ließ den Durchhalteparolen Taten folgen, zeigte, dass er es tatsächlich ernst meint, wenn er ankündigt nicht aufzugeben, solange es sich lohnt, gegen den Abstieg aus der Bundesliga anzukämpfen. Sebastian Preiß musste grinsen, als man ihn auf die Atmosphäre ansprach, die, wie Geschäftsführer Stefan Adam treffend formulierte, sie wieder einmal durch dieses Spiel getragen hatte.
"Ich genieße das unwahrscheinlich", meinte der Weltmeister von 2007, "noch sind wir in der ersten Liga, das macht so viel Spaß, wir haben doch so viel aufgebaut..." Dann sprach er plötzlich nicht mehr weiter. Es sollte wohl bedeuten: Ein Abstieg, das darf uns und diesem Publikum doch bitte auf keinen Fall passieren.
Andersson dreht die Rädchen
Die Hoffnung lebt nun ein wenig weiter, es sind nur noch fünf statt sieben Punkte bis zum rettenden Ufer bei fünf ausstehenden Spielen. "Dieser Hoffnungsschimmer", sagte Sebastian Preiß, "an den müssen wir uns jetzt klammern." Und, ganz ehrlich, die Art und Weise, wie der Aufsteiger den Champions-League-Sieger von 2013 über weite Strecken dominierte, lässt jeden, der dabei war, an diese kleine Chance auf den Klassenerhalt glauben.
Das ist ein Verdienst auch von Robert Andersson, dem schwedischen Trainer, der zwar erst drei Punkte aus sechs Spielen holte, in der kurzen Zeit aber offenbar erkannt hat, an welchen Rädchen er wie drehen muss: Im Angriff spielt der HCE dynamischer und variabler als zuletzt, mit größerem Zug zum Tor. In der Defensive kommt die 6-0-Deckung nicht nur Abwehrchef Preiß entgegen, weil die Schnittstellen zu den Nebenleuten schneller zu schließen sind.
"Drei, vier Siege brauchen wir noch"
Das Selbstvertrauen ist zurück, das Wissen, Fehler machen zu dürfen. "Wir waren heute aus jeder Position gefährlich", lobte Ole Rahmel seine Mitspieler, "wir haben Hamburg mit einer großen Teamleistung bezwungen. Wenn wir das so beibehalten, dann haben wir wirklich noch eine Chance."
Tatsächlich unterliefen der Mannschaft kaum Fehler, gerade die technischen waren ja zuletzt zu so etwas wie einer Paradedisziplin geworden - man fand keinen einzigen mehr.
Fünf Spiele hat der HC Erlangen jetzt noch, zwei davon zu Hause vor diesem einzigartigen Publikum. "Drei, vier Siege brauchen wir", rechnete Ole Rahmel noch vor, das Restprogramm der Konkurrenten ist schwerer als das der mental sensiblen Erlanger, denen es jetzt entgegenkommt, dass viele sie längst abgeschrieben haben. "Der Kopf ist frei, das hilft uns", sagt der Trainer. "Es ist eine Riesenaufgabe", findet Rahmel, "es wird eng. Aber wir können das wirklich schaffen."
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