Heimsieg gegen die Löwen: HCE erlebt Sternstunde

9.12.2014, 20:57 Uhr
Acht Tore gegen die Rhein-Neckar Löwen: Martin Stranovsky (links) überragte an einem wunderschönen Dezemberdienstag alle.

© Sportfoto Zink / JüRa Acht Tore gegen die Rhein-Neckar Löwen: Martin Stranovsky (links) überragte an einem wunderschönen Dezemberdienstag alle.

Es ist nicht lange her, da kämpfte der traditionsreiche Erlanger Handball noch gegen die dro­hende Insolvenz. Es kam jemand, der krempelte den Laden um, holte Frank Bergemann als Trainer und der mach­te sich dann auf, mit einem runderneu­erten Team ein Märchen zu beenden, das vor Jahrzehnten in einer kleinen Sporthalle in Büchenbach begonnen hatte. „Fliegendes Klassenzimmer“ taufte diese Zeitung damals die deutschen Meistertitel einer Jugendmannschaft, die sich wenig später aufmachte, einen schier unglaublichen Durch­marsch aus der Bezirks- bis in die zweite Bundesliga zu feiern.

An einem speziellen Dezemberdienstag, da waren viele von diesen ehemaligen Handball-Buben wieder da: Roland Wunder, Carsten Henrici, Norbert Münch, Martin Sau­er konnte man sehen, wie sie klatsch­ten und jubelten, und ihre Erfolgstrai­ner Helmut Hofmann und Siegfried Pabst, dessen wenige Haare längst grau geworden sind. Sie standen dort unten am Rand des Feldes, außenher­um tobten 5311 Zuschauer begeistert und diese alten CSGler, sie trauten ihren Augen kaum. Erlangens Hand­ball- Familie feierte gemeinsam ihr nächstes Märchen: Mit 27:25 (12:14) hatten sie in einem wahren Handball-Krimi den Tabellenführer, die großen Rhein-Neckar Löwen besiegt.

„Wir waren wie im Rausch“, sagte Oliver Heß später, der Schweiß lief ihm in Bächen vom Gesicht, er war einer der „kleinen Helden“, wie Berge­mann seine Mannschaft kurzerhand nannte, „wir waren in einem Tunnel. Wahnsinn, ich kann es noch gar nicht glauben.“ Die beeindruckende Kulisse hatte zuvor genau das ermöglicht, was sie ganz früher schon in der Eurohalle hatte: sie versetzte Bäume. Doch zunächst war die Mannschaft noch mit ihren Nerven beschäftigt, der Tabellenführer hatte soviele Zuschau­er angelockt wie noch nie zu einem Heimspiel einer Erlanger Handball­mannschaft. Die Rhein-Neckar Löwen ließen sich davon freilich nicht beeindrucken – erst im September spielte der Vizemeister im Frankfur­ter Waldstadion vor fast 37.000 Fans.

Der Funke springt über

Zuvor, im August, hatten sie den HC Erlangen zu Hause humorlos abge­schossen: 35:18 hieß es am Ende, der Favorit hatte beinahe doppelt so viele Tore geworfen wie der staunende Auf­steiger. „Das war heute nicht mehr in den Köpfen“, versicherte Nikolaj Jacobsen, Mannheims Trainer, „wir wussten, dass der HC Erlangen mitt­lerweile zu einer anderen Mannschaft geworden ist.“ Diese andere Mannschaft, die auf den gesperrten Sveinsson verzichten musste, biss sich bald beeindruckend hinein in dieses Spiel. Angepeitscht immer wieder von diesem einzigarti­gen, begeisternden Publikum. Trotz­dem zog der Gast davon, bis auf 5:7 (11. Minute). Dann sprang der Funke endlich über, Nikolai Link besorgte das 7:7 und 8:7 (15.) für Erlangen. Im Hinspiel noch hatte es zu diesem Zeit­punkt 12:4 für Mannheim gestanden.

Doch diesmal ließ Erlangen nicht nach, spielte hervorragend Abwehr – obwohl der Defensivchef, Sebastian Preiß, angeschlagen zunächst passen musste. Doch der HCE egalisierte das mit unbändigem Willen, mit Kampf­kraft, mit großem Teamgeist und einem wieder großartigen Katsigian­nis im Tor. „Wir hatten immer zum richtigen Zeitpunkt die richtige Ant­wort“, freute sich Bergemann, „es sprang immer ein anderer ein, wenn einer nachließ.“ Einer war Nikolai Link in der zentralen Deckung, ein anderer Christoph Nienhaus am Kreis.

Die Gäste versuchten zu zaubern, doch der Aufsteiger ließ sich nicht vor­führen, nicht an diesem Abend, vor dieser Kulisse. Als nach zwei Zeitstra­fen gegen die Heimmannschaft ein 10:14 (28,) vom Würfel leuchtete, hoff­te der Champions-League-Teilneh­mer, dass der Widerstand endlich bre­chen würde – doch Erlangen dachte gar nicht daran. Über 12:14 (Halbzeit­stand) kletterte der Aufsteiger wieder heran. Martin Stranovsky traf zum 16:17 (38.).

Die Halle bebt

Beim 18:18, als es längst keinen mehr auf seinem Sitz hielt, begann Nikolas Katsigiannis, der Torwart, über sich hinauszuwachsen. Jonas Link warf den Ball zum 20:19 (46.) hin­ein ins Glück, sein Bruder Nikolai ruderte wild mit den Armen – die Hal­le bebte, die Löwen zeigten erstmals Nerven. So ging es weiter in einem Handball-Krimi, die Gäste legten vor, Erlangen zog nach: 21:21, 22:22, 23:23 (53.). Stranovsky gelang dann in Unterzahl wieder die Führung, 24:23, fünf Minuten waren noch auf der Uhr. Oliver Heß traf zum 25:23, Sekunden später vergab Ole Rahmel den Match­ball, sein Heber flog vorbei.

Kein Puls schlug mehr unter 200, da ging es in die letzten, aufregenden Minuten. Wieder Heß machte das 26:24, Mannheim lief plötzlich die Zeit davon. Und Erlangen war im Rausch, fuhr das nächste Wunder der großen Vereinsgeschichte nach Hause. Nicht nur diese Mannschaft hatte gewonnen, es fühlte sich tatsächlich so an, als hätte jeder einzelne in dieser Halle seinen Beitrag geleistet.

Erlangen: Katsigiannis; Weltgen, Schwandner, Murawski, Jonas Link (2), Preiß (1), Krämer, Nienhaus (4), Hess (4), Rahmel (3), Stranovsky (8), Nikolai Link (5), Thümmler.

Dieser Artikel wurde am Mittwoch, 10. Dezember, durch eine neuere Version ersetzt.

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