Kettenreaktion: Club-Abstieg trifft die Region hart

11.5.2014, 06:00 Uhr
Für den 1. FC Nürnberg und seine Fans hieß es nach der 1:-4-Pleite auf Schalke ab ins Unterhaus.

© dpa Für den 1. FC Nürnberg und seine Fans hieß es nach der 1:-4-Pleite auf Schalke ab ins Unterhaus.

Das 1:4 (0:2) auf Schalke hat den Abstieg des 1. FC Nürnberg aus der Fußball-Bundesliga endgültig besiegelt. Der Club präsentierte sich am Samstag in der Veltins-Arena phasenweise dermaßen desaströs, dass böse Zungen gar an der Zweitligatauglichkeit der aktuellen Mannschaft zweifeln.

Da die Konkurrenten aus Hamburg und Braunschweig in Mainz und Hoffenheim ebenfalls patzten, ist die Niederlage für die Franken gleich doppelt ärgerlich: Ein Sieg, und der Club hätte sich trotz mickriger Punkteausbeute tatsächlich noch in die Relegation gerettet. Man hatte sich aber offenbar mit dem Abstieg schon angefreundet. Zu kampflos ergab sich die ersatzgeschwächte Rumpftruppe von Interimscoach Roger Prinzen dem stark aufspielenden Champions-League-Aspiranten Schalke 04, der zweifelsohne kein leichter Gegner war, ihrem Schicksal.

Dass es jetzt einen Umbruch innerhalb des Vereins geben wird und muss, ist kein Geheimnis. "Jetzt geht es erst einmal darum, die sportliche Führung breiter aufzustellen", sagte Sportvorstand Martin Bader unmittelbar nach dem trostlosen Debakel. Erst danach werden die Gespräche mit einem neuen Trainer intensiviert. "Wir sind am Boden zerstört. Ein Abstieg mit 26 Punkten ist ein brutaler Niederschlag", sagte Bader, der trotz zuletzt scharfer Kritik an seiner Arbeit wohl den Neuaufbau leiten wird.

Meldungen, nach denen der Abstieg in die Zweite Bundesliga den Verein in der ersten Saison 20 Millionen Euro kosten würde, wollte Nürnbergs Oberbürgermeister Ulrich Maly (SPD), der auch Mitglied im FCN-Aufsichtsrat ist, unlängst auf Anfrage der Nürnberger Zeitung nicht bestätigen. Das könne man so nicht sagen, erklärte er. „Für den Verein kommt es mit Sicherheit teuer, weil natürlich die Fernsehgelder weniger werden. Die sind wichtiger als die restlichen Einnahmen. Auf der anderen Seite wird auch der Kader kleiner. Die Frage ist, wie schnell kann der Kader auf Zweitliganiveau angepasst werden“, sagte der OB. Die Einnahmen, die wegbrechen, da habe der Verein leider Erfahrungen.

Große Verluste beim Club

Vor allem bei der Mannschaftsbesetzung werden die Verantwortlichen in den kommenden Wochen den Rotstift ansetzen. Josip Drmic ist quasi schon weg, auch Per Nilsson vermied am Samstag nach Spielende im Sky-Interview ein klares Treuebekenntnis zum FCN. Bei vielen Spielern stehen die Zeichen ohnehin auf Abschied. "Wer Charakter hat und bleiben will, darf auch bleiben", sagte Kapitän Raphael Schäfer, der auch in der Zweiten Liga bleiben will. "Für den Rest ist der Manager zuständig."

Auf 40 bis 50 Prozent beziffert derweil Ralf Woy, der für Finanzen zuständige Vorstand des 1. FC Nürnberg, den Einnahmeverlust des Vereins, der durch den Abstieg zu erwarten ist. Auch Woy betonte, dass vor allem die Fernsehgelder ein Loch reißen würden: „Da bekommen wir als Zweitligist rund neun Millionen Euro pro Saison, in der Bundesliga 20 Millionen Euro.“ Die Verluste bei den Sponsoreneinnahmen schätzt Woy auf 20 bis 30 Prozent.

Außerdem befürchtet der Finanzvorstand, dass der Zuschauerschnitt von derzeit gut 40.000 um 10.000 bis 12.000 nach unten gehen werde, obgleich es auch in der Zweiten Liga "zugkräftige Gegner" gebe: "Man denke an den FC St. Pauli oder 60 München." Turbulente Zeiten kommen allerdings nicht nur auf den Club und seine leidgeprüften Fans zu. Der Abstieg wirkt sich auf die gesamte Metropolregion Nürnberg negativ aus.

Die Region im Abwärtsstrudel

Dass der 1. FC Nürnberg nunmehr zweitklassig spielt, trifft auch die VAG hart. Die städtische Tochter rechnet mit Einnahmeausfällen zwischen 250.000 und 300.000 Euro im Jahr, auch die Nürnberg-Messe kostet der Abstieg in die Zweite Bundesliga richtig Geld. Potentielle Kongresskunden nahmen die Chance, ein wichtiges Bundesligaspiel vor Ort im Stadion zu verfolgen, sehr gerne wahr, heißt es bei der Messe. Die Logen wurden sicherheitshalber schon in den letzten Wochen gekündigt.

Dirk von Vopelius, Präsident der Industrie- und Handelskammer, spricht gar von einer "wirtschaftlichen Kettenreaktion." Es werde auf allen Ebenen Budgetkürzungen geben. Vom Verein selbst bis hin zum Bratwurstverkäufer, der in der Innenstadt dann womöglich weniger Gäste-Fans zu versorgen hat, seien alle betroffen. „Und insgesamt bedeutet dies natürlich auch eine Verringerung des Steueraufkommens." Zudem richte der Gang in die Zweite Liga einen "Imageschaden für die Stadt" an: "Ein Erstligaverein passt natürlich besser in eine Region mit Adidas und Puma als ein Absteiger", so von Vopelius.

Alfred Diesner, Geschäftsführer der Stadion-Betriebsgesellschaft, sieht eine "anstrengende Zeit“ auf sich und seine Mitarbeiter zukommen – denn freilich habe es Konsequenzen, wenn „unser Hauptmieter nicht mehr so liquide sein wird“. Ungefähr 50 Prozent der Mieteinnahmen fallen weg, die Nutzungsentgelte, die die Betriebs-GmbH an die Stadt als Eigentümerin des Stadions abführt, fallen ebenfalls geringer aus.

Ziel für die kommende Saison könne nur der direkte Wiederaufstieg sein, darin sind sich alle einig. Der Ex-Rekordmeister Nürnberg ist durch den bereits achten Abstieg zwar alleiniger Rekordabsteiger. Da der Club aber auch Rekordaufsteiger ist, ist der neuerliche Absturz aus der Beletage des deutschen Fußballs zwar hart, aber kein Drama apokalyptischen Ausmaßes. Letztlich glauben Maly, Woy, von Vopelius und Diesener auch an die Routine: Der Club hat schon manchen Abstieg hinter sich gebracht und kam stets zurück.

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