Süße Liebesbotschaften aus Seukendorf

29.9.2012, 10:00 Uhr
Süße Liebesbotschaften aus Seukendorf

© Antje Seilkopf

Der Geschmack der Kunden veränderte sich im Lauf der Jahrzehnte. Unverändert gibt es an Protzes Süßwarenstand aber etwas, ohne das die Kirchweih keine zünftige wäre: Lebkuchenherzen. Etwa alle drei Wochen werden sie frisch gebacken, per Hand verziert und verpackt. Das geschieht so nur noch in sehr wenigen deutschen Backstuben.

Süße Liebesbotschaften aus Seukendorf

An das Haus der Familie, die vom Süßwaren-Vertrieb lebt, wurde schon vor Jahren ein großer Raum fürs Backen angebaut. Ein hoher, langer Tisch erlaubt es, dass Inhaber Thomas, Mutter Grete (84) und Ehefrau Heidi ausreichend Platz finden, um sich Holzbleche voller Herzen zuzureichen. Der gelernte Konditor, der vier Jahre lang bei der Firma Schöller arbeitete und 1983 in den Betrieb des Vaters einstieg, hat die Liebe und das Talent zur Süßwaren-Herstellung schon vom Opa. 1989 übernahm Thomas Protze das kleine Familienunternehmen komplett inklusive der Geräte, die seit Jahrzehnten regelmäßig genutzt werden.

Unverdrossen schiebt der 51-Jährige ein Blech voller Teig in Herzform nach dem anderen in den elektrisch betriebenen Backofen. Den Rhythmus hat er mittlerweile im Gefühl, den Blick alle 15 Minuten auf die Uhr kann er sich im Grunde sparen.

Jetzt geht es für ihn auch etwas ruhiger zu, denn der körperlich schwerste Teil des Herzbackens ist vorbei: 18 Kilo Teig hat er Klumpen für Klumpen geknetet und mit der kiloschweren Teigrolle ausgewalzt, um 40 große und 80 kleine Herzen ausstechen zu können. Das geht relativ flott, aber auch in die Arme. Der Teig hatte einige Wochen Zeit, zu dem zu werden, was den Kirchweihbesuchern später so gut schmeckt.

Nach einem Rezept vom Großvater bereite er den zu, erzählt Thomas Protze und nennt neben Mehl, Zucker, Sirup und Honig auch Gewürze wie Zimt, Ingwer und Kardamom als Zutaten. Was genau in welchen Mengen verwendet wird, verrät er natürlich nicht.

Fest steht, dass die Herzen den Kunden seit über 60 Jahren schmecken – und Botschaften vermitteln. Die müssen noch auf das abgekühlte Backwerk. Dafür wird Schaum aus Eiweiß und Puderzucker im Spritzbeutel als „Stift“ benutzt. Den weißen und später auch eingefärbten süßen Schaum gleichmäßig auf die Herzen aufzubringen, das verlangt besonderes Geschick und eine sehr ruhige Hand. „Es heißt immer, ich hätte die beste Schrift“, sagt Thomas Protze beim Blick auf die Herzen erfreut.

Die Lebkuchen wechseln einer nach dem anderen vom Braunton ins Kirchweibunt mit farbigen Zuckerblumen. „Alles Gute“, „Meine Prinzessin“, „Mausi“ oder „I mag Di“ steht drauf. „Engelchen“ und „Ich liebe dich“ zählen bei den Kunden zu den Favoriten. Doch mögen sie noch so gut aussehen und munden: Herzen als süße Liebesbotschafter haben es heute schwer. „Früher hat jeder Bou seinem Madla ein Herz gekauft“, erinnert sich Thomas Protze ein wenig wehmütig. „Heute schicken sie eine SMS.“ Wenn, dann würden eher die Mädchen zu den Herzen greifen, um sie zu verschenken.

Am Stand auf dem Kirchweihplatz erlebt Heidi Protze so einiges: Viele Großmütter würden lange nach dem perfekten Herz suchen und mit sich ringen, ob sie „Frechdachs“ oder „Süße Nervensäge“ wählen — und letztlich doch „Mein Engelchen“ kaufen. „Und noch während sie bezahlen, hat der Enkel schon das Herz ausgepackt und angeknabbert“, erzählt die 58-Jährige lachend.

Sie bietet mit ihrem Mann die Herzen auch in diesem Jahr wieder auf der Fürther Michaeliskirchweih an. „Ich liebe dich“ ist reichlich gebacken worden. Und „Gute Besserung“ braucht ja eh’ niemand, da es Ehrensache ist, in Kirchweihzeiten gut drauf zu sein.

Mehr Informationen in unserer Rubrik Essen und Trinken!

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