Schicksalstag: Für Wöhrl geht es heute um die Zukunft

26.4.2017, 07:24 Uhr
Schicksalstag: Für Wöhrl geht es heute um die Zukunft

© Fotos: dpa/Ludwig Beck, Montage: nordbayern.de

Über 50 Millionen Euro Schulden hat die Nürnberger Modehauskette Wöhrl – bei Lieferanten, bei Banken, bei der Bundesagentur für Arbeit und vor allem bei den Zeichnern einer Anleihe in Höhe von rund 30 Millionen Euro. Die Vertreter der einzelnen Gruppen treffen sich heute bei Gericht und sollen zustimmen, auf mindestens 80 Prozent ihrer Forderungen zu verzichten.

Denn das ist Teil des Insolvenzplans, über den sie urteilen müssen und mit dessen Hilfe das Unternehmen gerettet werden soll. Mangels Alternative galt die Zustimmung als sicher – bis zum Ende der vergangenen Woche. Da ging überraschend ein Konkurrenzangebot ein – von der österreichischen Textilfamilie Graf – Eigentümer der Kette Kleider Bauer.

Was genau in dem Angebot steht, ist öffentlich nicht bekannt. Die Österreicher geben sich äußerst verschwiegen. Auf Anfrage sagte eine Sprecherin von Kleider Bauer: "Wir sagen nichts – und nicht einmal das wollen wir in der Zeitung lesen." Wie es jedoch aus dem Umfeld der Gläubiger am Dienstag hieß, bietet Graf angeblich eine Rückzahlungsquote von 18 Prozent auf die Forderung der Gläubiger – plus einen eventuellen Nachschlag, der von der Höhe der Gewinne der Firma Wöhrl in den kommenden Jahren abhängig ist. In der Summe könnte die Quote also über den maximal 20 Prozent liegen, die laut Wöhrl-Management aus dem Angebot von Christian Greiner zu erwarten wären. Darauf soll am 30.Juni bereits ein Abschlag von 7,5 Prozent gezahlt werden, hatte Wöhrl kürzlich mitgeteilt.

Allerdings ist die Rückzahlungsquote nur ein Teil der Konzepte. Darüber, was Kleider Bauer mit dem Filialnetz und den rund 2000 Mitarbeitern bei Wöhrl vorhat, wurde nichts bekannt. Konkurrent Greiner kann sich jedenfalls keinen Reim auf das kurzfristige Angebot machen: „Die Strategie erschließt sich mir nicht“, teilte er auf Anfrage mit. „Aber ich muss diesen Vorstoß und das Angebot überhaupt nicht bewerten, das müssen die Gläubiger tun.“ Er stehe zu „100 Prozent“ hinter seiner Offerte.

Wie die Vertreter der einzelnen Gläubigergruppen – Arbeitnehmer, Lieferanten, Kleingläubiger, Banken, öffentlich-rechtliche und Anleihegläubiger – auf die neue Lage reagieren, wird sich heute zeigen. Es wird damit gerechnet, dass institutionelle Gläubiger wie etwa Banken oder die Bundesagentur dem Insolvenzplan und damit einer Übernahme durch Greiner, Sohn von Hans Rudolf Wöhrl, zustimmen werden. Offen ist das Abstimmungsverhalten der Arbeitnehmer. Der gemeinsame Vertreter der Anleihegläubiger, Rechtsanwalt Christian Gloeckner, war gestern nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.

Das Prozedere sieht – vereinfacht dargestellt – folgendermaßen aus: Für die Dachgesellschaft Wöhrl AG sowie für die Rudolf Wöhrl GmbH & Co KG wird getrennt abgestimmt. In jeder Gläubigergruppe reicht dabei die einfache Mehrheit – Einstimmigkeit ist nicht erforderlich. Der Insolvenzplan gilt als angenommen, wenn er die Zustimmung der Mehrzahl der Gruppen erhält. Gelingt dies, könnte sich Wöhrl zum 1.Mai aus der Insolvenz verabschieden.

Wird der Plan abgelehnt, beginnt der wochenlange Entscheidungsprozess über einen Investor von vorne. Mit der Chance für die Gläubiger, unter Umständen einige Prozent mehr zu erhalten als bislang angeboten. Aber auch mit dem Risiko, dass die Rettung von Wöhrl scheitert.

Verwandte Themen


6 Kommentare