Siemensianer will die Luftfahrt revolutionieren

8.4.2017, 17:44 Uhr
Siemensianer will die Luftfahrt revolutionieren

© Foto: Ilona Hörath

An den außergewöhnlichen Blick aus seinem Büro in der siebten Etage des denkmalgeschützten Goeschelhauses in Erlangen hat Frank Anton sich längst gewöhnt. In Richtung Norden schaut er auf den Himbeerpalast, ein Wahrzeichen nicht nur des Siemens-Konzerns, sondern der ganzen Stadt. Irgendwo gleich daneben am Horizont liegt der Segelflugplatz Hetzles, die Heimatbasis des Hobbypiloten Anton. Und dann noch der Ausblick auf das Gelände des zukünftigen Siemens-Campus. "Ich gucke gerne von oben auf die Welt", sagt der aktive Kunstflieger.

Ob sein Gast selbst fliege, will er zu Beginn des Gespräches wissen, um gleich darauf zurückzublicken: "Wir haben mit einem Elektromotor weltweit erstmals ein Flugzeug in einer größeren Leistungsklasse angetrieben", sagt er unaufgeregt. Anton spricht von jenem 24. Juni 2016, als in Dinslaken der Kunstpilot Walter Extra mit dem Elektro-Kunstflugzeug namens Extra 330LE zum Jungfernflug abhob. Nahezu lautlos angetrieben von einem Elektromotor. Dann blitzt es doch in Antons Augen: "Das war ein sehr emotionaler Moment." Mit nur 50 Kilogramm Gewicht liefere der Elektromotor, der so groß ist wie eine Waschmaschinentrommel, rund 260 Kilowatt elektrische Leistung und damit fünfmal so viel wie ein herkömmlicher Antrieb, der genauso schwer ist.

Das Projekt ist Frank Antons Baby. Ein Meilenstein in der Geschichte der Luftfahrt, wie der Leiter der Erlanger Siemens-Abteilung eAircraft sagt. "Wir sind dabei die Luftfahrt zu verändern." Der 60-Jährige ist überzeugt davon, dass die Luftfahrt der Zukunft elektrisch dominiert wird. Und zwar von hybrid-elektrischen Flugzeugen, in denen – wie einst beim Branchenvorreiter Toyota Prius – dank der Kombination von Elektroantrieb und Verbrennungsmotor, Kraftstoff gespart wird. In diesem Fall Kerosin, und zwar 25 Prozent. Was letztendlich, so Anton, für die Passagiere niedrigere Ticketpreise bedeute. "Wir arbeiten an der effizienten Luftfahrt des Jahres 2030."

Ab 2030 wird‘s ein Geschäft

Doch nicht als Tüftler à la Daniel Düsentrieb versteht er sich, sondern als waschechter Businessmann. Geschäfte zu machen, "das ist meine große Liebe". Vor allem Geschäfte, deren Potenziale noch lange nicht ausgeschöpft sind. Wie eben beim Elektroflieger, zu dem Siemens den kompletten hybrid-elektrischen Antriebsstrang, Generator, Batterien, Leistungselektronik, elektrische Motoren und Steuerungssysteme beisteuert. Den Deal, mit Airbus gemeinsam die "Luftfahrt zu revolutionieren", hat Anton eingefädelt.

Dass Anton sich als Geschäftsmann versteht, erklärt auch seine unterschiedlichen beruflichen Stationen innerhalb des Konzerns. Er entwickelte anfangs Teilchenbeschleuniger und Magnetresonanztomographen, später verantwortete er unter anderem als Geschäftsführer den Bereich chirurgisches Röntgen.

Regionalflugzeuge mit 100 Passagieren

Heute dreht sich alles ums Fliegen. "Unsere Erwartung ist es, ein neues und starkes Geschäftsfeld für elektrische Antriebe aufzubauen", sagt Anton. Das Ziel sei klar: "Es wird als veritables Geschäft ab 2030 starten." Und zwar mit Regionalflugzeugen, in denen 60 bis 100 Passagiere durch die Lüfte schweben und Strecken zwischen 500 und 1000 Kilometern zurücklegen.

Fragt man den Physiker nach seinen Vorbildern, nennt er zuerst seinen Vater, für den Kundennähe zentral war. "Mit großer Freude hätte ich auch den Betrieb für Inneneinrichtung meines Vaters übernehmen können. Ich wäre genauso glücklich geworden wie ich es heute in meinem Beruf bin." Von seinen Eltern habe er gelernt, dass man alles erreichen könne, was man sich vornimmt. Optimismus sei bei ihm eine "Grundeinstellung". Er habe ein "ganz gutes Gefühl für das Machbare". Von einer Klippe würde er nicht hinunterspringen, ohne zuvor die Wassertiefe ausgelotet zu haben.

Er vertraut auf eine Mischung aus Risikobewertung und Intuition. Denn manchmal müsse man auch intuitiv entscheiden, ob sich eine Investition lohne. "Ich kann unterscheiden zwischen einem, der etwas erzählt und einem, der weiß, wovon er spricht." Er vertraue Menschen, die "nach links und rechts schauen".

Weitergeben an den Nachwuchs

Sich durchzukämpfen und etwas schaffen zu können, was bisher nicht erreicht wurde und unerreichbar schien – das ist auch die Botschaft, die er als sogenannter Bundespatenbeauftragter von "Jugend forscht" an den Nachwuchs weitergeben will: Im Mai richtet Siemens in Erlangen den Bundeswettbewerb aus. Mit dem Wettbewerb, den Frank Anton vor 40 Jahren selbst einmal gewonnen hat, fühlt er sich "persönlich sehr verbunden".

Den Nachwuchsforschern rät er: "Dranbleiben!" So hält er es selbst. Noch heute. "Wir wollen in diesem Jahr zum ersten Mal auf der "Aero" fliegerisch präsent sein". Die Internationale Luftfahrtmesse Aero findet ab heute in Friedrichshafen statt und setzt einen Schwerpunkt auf Elektroflugzeuge. Was Anton im Gepäck haben wird, ist klar.

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