Trotz Ryanair-Streiks: Am Airport Nürnberg blieb es ruhig

10.8.2018, 22:18 Uhr
Trotz Ryanair-Streiks: Am Airport Nürnberg blieb es ruhig

© Foto: Thomas Frey/dpa

Mit einem abgestimmten Streik in fünf Ländern haben Piloten am Freitag den Billigflieger Ryanair getroffen. Mitten in der Urlaubszeit mussten die Iren jeden sechsten Flug ihres europaweiten Tagesprogramms absagen und damit rund 55.000 Passagiere enttäuschen.

Auf Deutschland entfielen 250 von 400 gestrichene Verbindungen, so dass am Morgen an den Ryanair-Schaltern auf vielen deutschen Flughäfen nahezu gespenstische Ruhe herrschte. In Nürnberg blieb es — Stand früher Abend — bei den im Voraus bereits bekannten Annullierungen von je einem Hin- und Rückflug nach London, Manchester, Rom, Malta, Krakau, Madrid und Budapest.

Ein Chaos an den Terminals blieb aus, weil das Unternehmen nach der Streikankündigung am Mittwoch betroffene Passagiere unmittelbar informiert hatte. "Alles ruhig in den Terminals, keine Auffälligkeiten", bestätigte Airport-Chef Michael Hupe für den Flughafen Nürnberg. Und auch der finanzielle Schaden für den Airport durch ausbleibende Gebühren für Passagiere und niedrigere Umsätze im Gastronomie- und Shop-Bereich bewege sich noch in einem Bereich, "der mir keine Kopfschmerzen bereitet. So lange es bei ein, zwei Tagen Streik bleibt."


Kommentar: Ryanair-Streik wirft Fragen an alle auf


Einige Ryanair-Passagiere hatten auch Glück. In Nürnberg beispielsweise fand je ein Hin- und Rückflug nach London, Palma de Mallorca und Mailand am Freitag, wie vom Billigflieger zuvor erhofft, statt. In ganz Deutschland konnte Ryanair rund ein Drittel der Fluggäste wie geplant doch noch an ihre Zielorte fliegen. Die übrigen 42.000 Gäste sollten entweder umgebucht werden oder den Ticketpreis zurückerhalten. Weitergehende Entschädigungen lehnt Ryanair ab, weil man die Streiks nicht beeinflussen könne.

Grundsätzliche Rückendeckung für diese Haltung gab es von der EU-Kommission. Streiks könnten nach EU- Recht als Ausnahmesituation gewertet werden, erklärte ein Sprecher in Brüssel. Die Fluggesellschaft müsse jedoch nachweisen, dass alle angemessenen Maßnahmen unternommen worden sind, Flugausfälle und -verspätungen zu verhindern. All dies müsse von Fall zu Fall entschieden werden.

Die deutsche Piloten-Gewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) zeigte sich zufrieden mit dem Verlauf des Arbeitskampfes. Eine Verlängerung über Samstagmorgen um 2.59 Uhr hinaus sei nicht geplant, sagte Sprecher Janis Schmitt. "Wir werden uns den heutigen Tag anschauen und bewerten. Wir hoffen, dass Ryanair unser Signal verstanden hat und dann zu ernsthaften Verhandlungen bereit ist." Weitere Streiks will die Gewerkschaft nicht ausschließen.

Passagiere verständnisvoll

Aus Sicht der Gewerkschaft hat Ryanair mit seiner nahezu umfassenden Absage der Flüge mit in Deutschland stationierten Jets und Crews vernünftig gehandelt, da man so sämtliche betroffene Passagiere rechtzeitig informieren konnte. Es sei durchaus auch im Sinne der Piloten, wenn Chaos an den Schaltern vermieden werde, sagte Schmitt. Auch stünden die Flugzeuge nach einem Tag Pause am Samstagmorgen wieder dort, wo sie benötigt würden.

Auch in Schweden, Irland, Belgien und den Niederlanden legten Piloten ihre Arbeit nieder, um bessere Arbeitsbedingungen zu erstreiten. Das Unternehmen teilte mit, dass trotz der Streiks am Freitag europaweit rund 2000 Flüge stattfänden, rund 85 Prozent des ursprünglichen Flugplans. Die österreichische Laudamotion strich 20 Flüge, weil von Ryanair ausgeliehene Flugzeuge und Crews fehlten.

"Ich habe kein Verständnis für Ryanair, aber für die Piloten", sagte am Flughafen Berlin-Tegel ein Reisender, der mit zwei Freunden in den Urlaub flog. "Sie müssen ihre Arbeitskleidung und ihre Verpflegung an Bord selbst zahlen." Ein anderer ruft dazwischen: "Beschwerden gibt‘s auf hohem Niveau." "Aber viele MItarbeiter sind auch nicht mal fest angestellt", erwidert der erste Reisende.

Die abgestimmte Aktion ist der größte Pilotenstreik in der Geschichte der größten Billig-Airline Europas, die erst seit Ende 2017 Gewerkschaften anerkennt. Vor zwei Wochen hatten Flugbegleiter in Portugal, Spanien und Belgien über zwei Tage zusammen rund 600 Flüge mit knapp 100 000 betroffenen Passagieren ausfallen lassen. Unter den europäischen Piloten hatten zuvor einzig die Iren an vier einzelnen Tagen die Arbeit niedergelegt. Ryanair hatte daraufhin den Abzug von sechs Jets samt 300 Arbeitsplätzen nach Polen angekündigt.

Gefahr von Dauerstreiks

Gewerkschaften und Ryanair beschuldigen sich gegenseitig, die seit rund sechs Monaten laufenden Verhandlungen zu blockieren. Die VC will bei der Airline erstmals ein System aus Vergütungs- und Manteltarifvertrag etablieren und zieht zum Vergleich Konkurrenten heran. Ryanair verweist auf vergleichsweise hohe Endgehälter ihrer Kapitäne und Co-Piloten, die über dem Niveau von Eurowings oder Norwegian lägen; ob das stimmt, ist indes umstritten.

Die zahlreichen ungelösten Tarifkonflikte mit Piloten und Flugbegleitern in europäischen Ländern bergen die Gefahr von Dauerstreiks. Die Arbeitskämpfe setzten dem Billigflieger zu, schreibt der Analyst der britischen Investmentbank HSBC, Andrew Lobbenberg. Passagiere könnten sich wegen der Unsicherheit künftig zurückhalten, Ryanairs Gewinne würden durch Umbuchungen geschmälert.

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