TTIP-Protest: Zehntausende demonstrieren in Hannover

24.4.2016, 15:15 Uhr
Zehntausende Bürger aus ganz Deutschland nahmen an dem Protest in Hannover teil.

© dpa Zehntausende Bürger aus ganz Deutschland nahmen an dem Protest in Hannover teil.

Am Vortag des Besuchs von US-Präsident Barack Obama haben mehrere Zehntausend Menschen in Hannover gegen das umstrittene transatlantische Freihandelsabkommen TTIP demonstriert. Während die Polizei von 35.000 Teilnehmern sprach, schätzten die Veranstalter die Zahl der Demonstranten auf 90.000.

US-Präsident Obama wird am Sonntag in Hannover erwartet. Neben einer breiten Palette außen- und sicherheitspolitischer Themen geht in Gesprächen mit der Bundeskanzlerin auch um TTIP. Merkel und Obama wollen für das umstrittene Freihandelsabkommen werben. Am Abend eröffnen der Präsident und die Kanzlerin die Hannovermesse. Die USA sind in diesem Jahr Partnerland der weltgrößten Industrieschau.

"Wir wollen TTIP nicht haben. Wir wollen Demokratie, keine Geheimhaltungen und nicht die Macht der großen Konzerne", sagt die 66-jährige ehemalige Grundschullehrerin Hanna Berlin aus Northeim. Ihr Mann Dieter, 73, ist nach Hannover gekommen, um für den Erhalt "unserer Bildungsstandards und Umweltstandards" zu demonstrieren.

Jeder Dritte lehnt TTIP ab

Das Ehepaar war schon im Oktober in Berlin dabei - mit 250.000 anderen. Jeder dritte Deutsche lehnt laut jüngster Umfrage das Vorhaben mittlerweile komplett ab. Die Rentner Sigrid und Heino Kirchhof aus Lohfelden gehören dazu. Sie gehen auch für ihre Enkelkinder auf die Straße, sagen sie: "Wir haben unsere Eltern gefragt, was sie im Dritten Reich gemacht haben. Sie haben weggeschaut. Wir dürfen das unseren Enkelkindern nicht sagen", erklärt der 73-jährige Heino Kirchhof.

Bei eher kühlen Temperaturen und grauem Himmel marschieren die Teilnehmer vom Hannoveraner Opernplatz fünf Kilometer durch die Innenstadt, um dann wieder zur Abschlusskundgebung auf dem Opernplatz zu landen. Angeführt wurde der Demonstrationszug von einem Korso aus etwa 35 Traktoren. Auf einem Anhänger war ein großes hölzernes Pferd aufgebaut mit der Aufschrift: "TTIP – ein Trojaner?" Die Atmosphäre blieb entspannt. "Das ist ein bürgerliches Spektrum. Da befürchten wir keine Krawalle", sagte ein Polizist während der Auftaktveranstaltung.

Umweltaktivisten, Kommunisten, Gewerkschafter und Globalisierungskritiker demonstrieren gemeinsam - insgesamt haben mehr als 20 Organisationen und Verbände zur Demo aufgerufen. Viele Teilnehmer richten sich auch direkt an US-Präsident Barack Obama, obwohl dieser erst einen Tag später, am Sonntag, in Hannover ankommt. Sie haben ihre Plakate englisch beschriftet, recken ein Bild von Obama hoch mit der Aufschrift "No we can't".

Merkel und Obama halten an TTIP fest

Der US-Präsident versucht am selben Tag, via Bild-Zeitung für das Abkommen zu werben: TTIP sei "einer der besten Wege, das Wachstum zu fördern und Arbeitsplätze zu schaffen", sagte er dem Blatt. Mit TTIP wollen die EU und die USA die größte Freihandelszone der Welt mit rund 800 Millionen Menschen schaffen.

Auch seine Gastgeberin Angela Merkel (CDU) müht sich um Zustimmung. In ihrem Podcast geht sie auf die Bedenken der Gegner ein und erklärt die Geheimhaltung bei den Verhandlungen damit, dass die USA aus Veröffentlichungen nicht "bestimmte Vorzüge ziehen" sollen. Die Kanzlerin wiederholt, was die Befürworter angesichts des wachsenden Widerstands immer wieder beteuern: Alles was in Europa als Norm gilt, sei gesichert. "Wir sichern das, was im Umweltbereich, im Verbraucherschutzbereich in Europa heute gilt."

Auf der Demo in Hannover kommen solche Argumente nicht an. "Ihr könnt Euch noch so viel mit Konzernlobbyisten hinter verschlossenen Türen treffen - mit TTIP kommt ihr nicht durch", ruft Redner Christoph Bautz von Campact. Er verspricht: "Wir lassen nicht locker, bis der ganze Handelsabkommen-Spuk endlich vorbei ist!"

Die Grünen-Vorsitzende Simone Peter forderte eine Neuverhandlung des Freihandelsabkommens. "Ich nehme wahr, dass der Widerstand in der Zivilgesellschaft wächst – nicht nur auf europäischer sondern auch auf amerikanischer Ebene."

Der frühere Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne) versicherte: "Hier demonstrieren gute Transatlantiker – wir sind nicht gegen ein faires Abkommen zwischen Europa und den USA." Man sei aber gegen Vereinbarungen, die Konzernen Sonderrechte einräumten.

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