Zentralen im Ausland: Wo ist Siemens angesiedelt?

13.8.2018, 13:07 Uhr
Zuwachs für Nürnbergs Untergrund: Ende dieses Jahres werden die ersten von insgesamt 21 neuen vierteiligen U-Bahnzügen des Typs G1 in der Noris eintreffen. Gefertigt werden sie im Siemens-Werk in Wien.

© Martin Anger/Siemens Zuwachs für Nürnbergs Untergrund: Ende dieses Jahres werden die ersten von insgesamt 21 neuen vierteiligen U-Bahnzügen des Typs G1 in der Noris eintreffen. Gefertigt werden sie im Siemens-Werk in Wien.

Man schafft es nicht, Konzern-Chef Joe Kaeser ein Wort zu entlocken, mit dem er den deutschen Standorten seine besondere Wertschätzung ausdrückt. Standardmäßig kommt stattdessen dieser Satz: "Siemens ist in Deutschland geboren, in Europa aufgewachsen, in der Welt zu Hause."

Wer wollte dem widersprechen: 83 Milliarden Euro Umsatz hatte der Technologieriese im vergangenen Jahr ausgewiesen. 87 Prozent davon wurden im Ausland erwirtschaftet. Die kränkelnde Siemens-Kraftwerksparte, in der aktuell beinahe 7000 Arbeitsplätze gestrichen werden, wäre vor Jahren schon gestorben, hätte sich das Management auf den deutschen Markt konzentriert: Von hier kam kein einziger Auftrag.

Und weil das Unternehmen absolut global aufgestellt ist, nennt es alle 377.000 Mitarbeiter zwischen Toronto und Kapstadt, zwischen Shanghai und Atlanta "Siemensianer". Die Mehrheit von ihnen sitzt im Ausland, aber 45 Prozent des Personals arbeiten trotz aller Verlagerungen in Deutschland. Anfang des Monats hatte Kaeser mit seiner "Vision 2020+" eine veränderte Struktur bekanntgegeben. Sie bedeutet, dass die Hälfte der Geschäfte vom Ausland aus gesteuert werden.

"Healthineers" bleibt in Erlangen

Inhaltlich nichts Neues heißt das für die rechtlich eigenständigen Einheiten, die Kaeser jetzt unter dem Titel "strategische Unternehmen" führt. Die Gesundheitssparte Healthineers behält ihre Zentrale in Erlangen. Sie ist genau wie die deutsch-spanische Windkraftsparte Siemens Gamesa (Sitz: Bilbao) börsennotiert, beide bleiben eine Mehrheitsbeteiligung von Siemens und werden voll konsolidiert. Als drittes der verselbstständigten strategischen Unternehmen wird sich der deutsch-französische Bahnhersteller Siemens Alstom hinzugesellen, wenn die Kartellwächter zustimmen. Das Hauptquartier des verschmolzenen Unternehmens wird Paris sein. Ziel dieser Fusion war es, den absolut dominanten chinesischen Konglomeraten in der Bahntechnik mit vereinten europäischen Kräften Paroli bieten zu können. Und für alle drei gilt: Mehr Freiheiten und Schnelligkeit durch eigenständiges Agieren am jeweiligen Markt.

Nach diesem Vorbild — und das ist neu — baut Kaeser auch die verbliebenen Geschäftseinheiten um. Sie führt er als "operative Unternehmen", jedoch ohne rechtliche Eigenständigkeiten. Der radikale Schnitt besteht darin, die gesamte Ebene der Divisionen mit ihren eigenen CEOs unterhalb des Vorstands abzuschaffen, was etwa für Energy in Erlangen heißt, dass der dortige CEO Willi Meixner diesen Posten nächstes Jahr verliert. Alle Macht liegt in den Händen von Vorstandsmitglied Lisa Davis in Houston/Texas, wo der rechtliche Hauptsitz von Power & Gas seit 2014 angesiedelt ist.

Campus stärkt Erlangen

Bei Siemens Erlangen ist von Verlust dennoch nichts zu hören. Manfred Bäreis, Betriebsratschef des nach der Abtrennung der Zugsparte größten Siemens-Bereichs PG dort blickt optimistisch auf den entstehenden Siemens Campus mit am Ende (im Jahr 2023) Platz für 12 000 Beschäftigte in seiner Stadt: "Wir rechnen insgesamt mit mehr Arbeitsplätzen in Erlangen durch die Zentralisierung." Aus der ganzen Region werden später Siemensianer in die Hugenottenstadt pendeln. Auch aus Nürnberg.

In Nürnberg verbleibt zur Erleichterung aller der weltweite Sitz der Zukunftssparte Digitale Industrien, der "Diamant" im Konzern, wie Kaeser sagt. Smarte Infrastruktur für Netze und Energieverteilung wird nach wie vor von Zug (Schweiz) aus gelenkt. Diese drei "operativen Unternehmen" unter dem Siemens-Dach sollen ebenfalls mehr Freiheit gewinnen durch die Dezentralisierung.

Logische Folge ist, dass die Konzernzentrale in München irgendwie die Strippen zieht, aber operativ im Organigramm nicht vorkommt.

 

 

 

 

 

 

 

 

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