Nachtwächter im Mondschatten der Wallfahrtskirche

22.8.2012, 10:56 Uhr
Nachtwächter im Mondschatten der Wallfahrtskirche

© Thomas Weichert

1980 in einem Gasthaus, irgendwo in Gößweinstein: Manfred Heckel und der damalige Bürgermeister Hans Backer sitzen zusammen. „Ich habe mich von ihm breitschlagen lassen, den Nikolaus auf dem Weihnachtsmarkt zu spielen“, erinnert sich der Mann mit dem langen weißen Bart, blickt über die Brille und lächelt verschmitzt. Nur nebenbei erwähnt das Gemeindeoberhaupt, dass er auch noch einen Nachtwächter suche. Manfred Heckel weist dem zunächst keine große Bedeutung zu.

„Gößweinstein hat einen neuen Nachtwächter“, titelt die Zeitung am nächsten Tag. Manfred Heckel, ist zu lesen, übernehme diese Aufgabe. Als der erstaunte Heckel beim Bürgermeister nachfragt, antwortet der nur: „Ich hab mir gedacht, du machst das schon.“

100 Menschen kommen

Und Manfred Heckel, eigentlich Kunstschmied, macht es schon. Den Umhang leiht er sich vom Franziskanerkloster des Ortes, den Helm von der Burg, das Horn des alten Nachtwächters von der Gemeinde. Eine Laterne hat er selbst. 100 Menschen kommen zu Heckels erstem Rundgang durch Gößweinstein. Vier Wochen später lässt er sich von einem Bekannten den ersten eigenen Umhang schneidern.

Zwei Jahre später wird Heckel offizielles Mitglied der Europäischen Nachtwächter- und Türmerzunft. Dort herrschen strenge Regeln. „Wir sind keine Volksbelustiger. Wir sind Nachtwächter“, erklärt Heckel kurz. Ernsthaftigkeit gilt auch für die Kleidung: Schlicht muss sie sein, höchstens zwei Aufnäher dürfen auf ihr prangen – bei Heckel ist es das Wappen des Ortes Gößweinsteins und das der Zunft.

„Kurt Konrad Knippschild aus Gräfenberg hat mich damals in die Szene eingeführt“, erinnert sich Heckel an den Mann, mit dem ihn bis zu seinem Tod vor sechs Jahren eine tiefe Freundschaft verbinden sollte. Knippschild ist damals die treibende Kraft bei der Wiederbelebung der alten europäischen Nachtwächter-Tradition. Mit seiner Hilfe gelingt Heckel der Einstieg als Nachtwächter.

Das Erbe weiterführen

20 Jahre später blickt Manfred Heckel selbst auf eine lange Karriere zurück. Mehr als 500 Rundgänge hat er angeführt, mehr als 2500 Verse geschrieben, mit denen er den Bürgern die Nachtruhe verkündet.

„Manfred, du musst mein Erbe weiter führen“, habe sein Mentor Kurt Konrad Knippschild vor seinem Tod zu ihm gesagt, erinnert sich Heckel. Geerbt hat er nicht nur dessen Liederbücher und Bibliothek, sondern auch manche Verpflichtung. Als Knippschild bereits krank ist, unterstützt ihn Heckel als Nachtwächter auf dem Forchheimer Weihnachtsmarkt. Seit dem Tod seines Freundes wacht Heckel auch über den kleinen Fürther Altstadtweihnachtsmarkt auf dem Waagplatz, beschert Kinder und ruft am Ende des Tages die Marktruhe aus.

„Ich weiß nicht, woher ich die Zeit dafür genommen habe“, sagt Heckel angesichts der vielen Verpflichtungen. Warum er bis heute Nachtwächter ist, weiß er aber sehr genau. „Ich will Freude verbreiten, neugierig auf unsere Gegend machen.“

Als Botschafter der Fränkischen Schweiz wird Heckel auch an diesem Wochenende agieren: Zum Jubiläum – 20 Jahre Mitgliedschaft in der Zunft – hat er Nachtwächter aus ganz Europa nach Gößweinstein eingeladen. Nicht ganz so viele aber wie damals, im Jahr 2000, als Heckel das internationale Treffen der Zunft in Gößweinstein veranstaltete, sondern nur seine engsten Freunde. Abends wollen die Nachtwächter von Wirtshaus zu Wirtshaus ziehen und singen. Locker und ungezwungen soll es zugehen, die Gäste sollen sich wohlfühlen.

Suche nach dem Nachfolger

69 Jahre alt ist Manfred Heckel nun, noch immer genießt er die Momente, wenn aus der eigentlich eineinhalbstündigen Führung zweieinhalb Stunden werden, weil die Teilnehmer mitmachen, diskutieren, Fragen stellen. Doch hat er schon einen Nachfolger im Blick? „Ich wusste, dass die Frage kommt“, sagt er und lacht. Ein schwieriges Thema sei das, die Aufgaben des Nachtwächters sind mit viel Arbeit verbunden, nicht jeder ist dazu bereit.

Heckel merkt das jeden Tag: Noch immer schreibt er neue Verse – das gleiche Programm abzuspulen, widerspricht seinem eigenen Anspruch. „Wenn ich durch die Gassen schreite, mag ich Leut an meiner Seite...“, beginnt so ein Vers. Und solange es kein anderer macht, wird wohl auch Manfred Heckel noch ein Weilchen durch Gößweinsteins Gassen schreiten, Leut an seiner Seite.

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