Die Zukunft heißt Vielfalt

18.10.2013, 16:00 Uhr
Die Zukunft heißt Vielfalt

© Scherer

((Platzhalter))2007 gab es das erste Festival, damals noch „Fürther Integratives Festival“ genannt. Nun ist daraus ein „Inklusives“ geworden. Was hat es mit dieser Änderung auf sich?

Wagner: Die Festivalidee entstand damals in einer Kneipe am Waagplatz mit zwei Kollegen aus der Fortbildung für Musikpädagogik mit behinderten Mitmenschen. Das Schlagwort war damals „Integration“. Bei der Integration passt sich der Mensch dem System an, ausgehend von der These, dass die Mehrheit normal ist. Inklusion bedeutet, dass sich das System den Menschen anpassen muss.

Was bedeutet das?

Wagner: Das kann in unserem Fall etwa bedeuten, dass für Gitarrenspieler mit Griffproblemen ein Instrument mit größerem Saitenabstand gebaut wird. Das ist typisch für Inklusion statt Integration. Am Anfang fragten wir uns noch, wie viel Behinderte eine Band haben sollte, was völlig doof war. Heute ist man da deutlich weiter. Behindert sind wir nämlich alle — wenn wir auf die Welt kommen und wenn wir sehr alt sind. Der Begriff heißt: auf fremde Hilfe angewiesen sein. Ohne die Hilfe anderer ist der Mensch verloren. Darum sind auch Hochbetagte und Menschen mit Migrationshintergrund gewissermaßen Behinderte. Heterogenes Arbeiten ist inzwischen das Zukunftsthema der Bildungspolitik. Nicht nur Lehrer, sondern auch wir Musiklehrer müssen lernen, mit verschiedenen Menschen umzugehen durch Differenzierung und Individualisierung. Und wir müssen Voraussetzungen schaffen, dass barrierefreie Teilhabe möglich ist. Inklusion vermittelt das Weltbild, dass Vielfalt normal ist.

Was sind die Markenzeichen des Festivals?

Wagner: Wir führen Menschen zusammen, die sonst nichts miteinander am Hut haben. „Diversity Management“ heißt das mittlerweile in der Wirtschaft. Nicht nur Musiker sollen sich begegnen, sondern auch dass Publikum nimmt sich in seiner Verschiedenheit wahr. Mrs. Greenbird bekommt es sicherlich mit anderen Musikern und einem anderen Publikum zu tun als sonst. Find’ ich prima. Wichtig ist uns Professionalität, weshalb wir für einen Partner wie das Kulturforum auch sehr dankbar sind. Wir bringen unsere Gäste ordentlich unter. Und: Sound und Licht müssen stimmen. Inklusion bedeutet nämlich nicht im geringsten, dass man den Qualitätsbegriff nach hinten stellt.

Gibt es behinderte Musik?

Wagner: Gibt es nicht. Es gibt in der Musik nur tiefstes Gefühl und Empfinden. Aber da muss sich die Haltung in den Köpfen noch ändern. Die Leute sollen merken: Was wir da präsentieren, ist kein Kling-Klang mit Orff-Instrumenten und Glockenspiel, sondern Qualität. Die Voraussetzung, um hier mitzumachen, ist die Anerkennung der Regelhaftigkeit von Musik. Ohne Üben und ohne tiefe Täler geht das nun mal nicht. Natürlich gibt es unterschiedliche Begabungen. Aber ein Orchester, das nur aus 1. Geigen bestünde, wäre langweilig.

Ist ein musizierender Behinderter der bessere Behinderte?

Wagner: Wir wollen, dass alle mitmachen können und viele mitmachen wollen. Aber: Niemand muss Musik machen, ein Behinderter kann sich genauso gut für Halma entscheiden. Wir haben den Anspruch, ein Angebot zu machen, das zur individuellen Selbstfindung beiträgt.

Wie ist es Ihnen gelungen, Mrs. Greenbird zum Festival zu holen?

Wagner: Unsere Musikschule bietet seit zehn Jahren ein soziales Jahr in Kultur an. Mrs.-Greenbird-Sängerin Sarah Nücken hat dieses Jahr bei uns absolviert. Vor einiger Zeit gab sie im Radio ein sehr ansprechendes Interview zum Thema Inklusion. Da haben wir zugeschlagen.

Was kann eigentlich ein rundum gesunder Musiker vom gehandicapten Musiker lernen?

Wagner: Diese Trennlinie ist schwierig. Wissen Sie, es gibt glückliche und weniger glückliche Musiker. Der Lagerfeuer-Gitarrist, der mit drei Akkorden eine Nacht lang alle unterhält, ist glücklich. Und da ist der perfekte Konzertgitarrist, der alle Kniffe draufhat, aber bei jedem Auftritt mit den Details hadert. Was ich sagen will, ist: Man kann das Machbare tun und das eigene Können wertschätzen lernen. Die Zufriedenheit, die behinderte Menschen ausstrahlen, ist etwas, das wir uns abgucken können. Wir müssen nicht immer alles bekritteln. Inklusion meint kompetenzorientierte, nicht defizitorientierte Pädagogik.

Wonach bemessen Sie den Erfolg des 4. FIS?

Wagner: Dass es, mit Unterstützung der Stadt, stattfindet.Wenn Menschen kommen und strahlende Augen haben. Ich brauche keine Konzerte vor 60000 Leuten. Aber ich kann versuchen, dass die Fürther ihre Haltung gegenüber Behinderten überdenken.

4. Fürther Inklusives Soundfestival, Kulturforum (Würzburger Straße 2), heute (18.30 Uhr, 10/8 Euro) mit Tune Up Big Band (Fürth), werkstatt allstars (Neuendettelsau), Blue Dolphins (München), Mrs. Greenbird (Köln). Morgen (19 Uhr) mit Eastman Company (Dortmund), Vollgas Connected (Fürth), Marshall Cooper (Mainz), After Show Party mit DJ Mahmut The 1st.
 

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